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Der Weg -

Meine Pilgerwanderung nach Rom

Befreie Deinen Geist und werde der Du bist

17.05.13

Die Vorbereitungen schreiten voran, die ersten Briefe zum Anwerben von Sponsoren habe ich abgeschickt. Ich erwarte voll Spannung die Reaktionen

Gestern habe ich nach langer Wartezeit mein Leichtzelt erhalten, es sofort aufgebaut und die erste Nacht in meiner Behausung für den langen Weg nach Rom verbracht. Das war erstmal ziemlich unspektakulär, Es war beruhigend, das dieses doch ziemlich verletzlich wirkende Zelt dem starken Regen problemlos getrotzt hat. 

Die Tage verfliegen in unglaublicher Geschwindigkeit, der Schreibtisch liegt noch voller Dinge, die alle erledigt werden müssen, ehe ich Haus und Hof verlasse.

Ich bin noch stockend, die Gedanken sind verhakt, hängen im Gestern, im Heute, in den Plänen für Morgen.

22.05.13

Die letzten Tage in meiner Praxistätigkeit verlaufen turbulent. Mir fallen die vielen Abschiede von Familien, Kindern und Jugendlichen schwer, mit denen ich zum Teil lange gearbeitet und um deren Seelenheil ich gerungen habe. Bei manch Einem zweifel ich an meiner Entscheidung mich aus der Therapie zurückzuziehen und überlege, ob ich nicht doch noch langfristig für Einige auch noch in der Praxis tätig bleiben will. Im Grunde ist mir jede und jeder mit dem ich im Prozess war ans Herz gewachsen. 

23.05.13

Vor jedem Weg steht der Abschied. Und Abschied tut oft weh. 

06.06.13

Gestern waren wir auf einem Vortrag von Gerald Hüther. Er hatte entscheidende Antworten auf meine Frage, was Kinder brauchen. Und neurophysiologische Erklärungen, warum Schule in der jetzigen Form so wenig Nachhaltigkeit auf die Bildung und die Lernmotivation von Kindern hat. Er ist ein Visionär mit möglichen Anwendungsvorschlägen. Ich rate jedem, der die Möglichkeit hat, ihn einmal anzuhören.

07.06.13

Es geht um Visionen, Ideen, Vorstellungen, etwas zu wollen, einen Traum zu haben, und es zu tun, alles zu tun, damit der Traum eine Chance hat wahr zu werden. Der Traum will sein. 

09.06.13

Ich mache "Probeläufe". Heute Nacht im Leichtschlafsack unter dem Schuppendach auf der leichtesten Isomatte, die sich im Haus finden ließ. Gegen 4 Uhr wurde es dann doch empfindlich kalt und ich zog ins Haus um. Für den Juli und August wird es mit dem Schlafsack sicher gehen, aber für die Alpen werde ich mir etwas ausdenken müssen. Auch an die Matte werde ich mich erst gewöhnen müssen. Es ist eine extrem spartanische Variante. Bloß sie wiegt im Vergleich zur Therm-a-Rest 1,4 Kilo weniger, da gilt es abzuwägen.

Die Probewanderung (eine 20 Kilometerrunde) verlief gut. Nach viereinhalb Stunden war ich wieder zu Hause. So werde ich wohl meine angepeilten 25 Kilometer-Tagesetappen gut schaffen können.

14.06.13

Die Gestaltung dieser Homepage scheint einer eigenen Dynamik zu unterliegen. Nun ist es schon zum zweiten Mal passiert, daß ein Textabschnitt weg war, ohne daß ich daran etwas verändert hatte. Ich zweifle an meiner Internet-Kopetenz. Und ich bin gespannt, was als nächstes passiert.

16.06.13

Endlich nehme ich mir mal wieder Zeit zu lesen. Obwohl ich mit den Aufgaben im Zusammenhang mit der Beendigung meiner Praxistätigkeit mehr als ausgelastet bin, tue ich etwas, was ich in den letzten Jahren kaum mal gemacht habe: Lesen. Und in dem, was ich lese finde ich vieles von dem wieder, was mich in den letzten Jahren zunehmend bewegt. Ob es nun Precht „Anna, die Schule und der liebe Gott“ ist, Gerald Huether in seinem Vortrag oder Spitzer in seinem Buch „Lernen“, es kommt überall ein Unwohlsein über die bestehenden Bildungsbedingungen und die zur Zeit handlungsleitenden Werte zum Ausdruck. „Bildung für Alle“ und „Eine Schule für Alle“ sind Schlagwörter aus den progressiven Reihen. Darüber hinausgehend sehe ich auch in der Wahl des Papstes den Ausdruck eines kollektiven Bewusstseins, dass grundsätzliche Veränderungen erforderlich sind, um "Eine Welt für Alle" zu erschaffen.

So wie ein Bildungs-Miteinander der gesellschaftlichen Schichten erforderlich ist, so ist die Entwicklung des Miteinanders der Religionen notwendig, wenn unsere dicht gewordene Welt nicht in Verteilungskämpfen zerfallen soll.

Es erscheint mir, als hinge der Umbruch zu einer menschenfreundlicheren, zugewandteren Grundhaltung im Raum und als würden Viele dies in ihre Arbeit integrieren. 

20.06.13

Fairness und Ehre sind alte Begriffe, ich weiß nicht woher sie kommen, in welchem Zusammenhang sie Einzug in die Kultur gehalten haben Und Sie stellen für mich wichtige Grundprinzipien für die Entwicklung einer werterhaltenen Gesellschaft dar. 

22.06.13

Wir haben alle eine ähnliche Sehnsucht, der Wunsch nach Liebe, danach, gesehen zu werden, nach Kontakt, Ehrlichkeit, Sicherheit, Verläßlichkeit. Dass der, der mit uns spricht es auch so meint, Authentizität. Wir wünschen uns Leichtigkeit. Wir sind glücklich, wenn DAS GUTE siegt. Die Sehnsucht finden wir in jedem Buch, jedem Film. Das Motiv wiederholt sich tausende Male. Doch es selber umzusetzen, ein Botschafter genau dieser Sehnsucht zu sein, fällt Vielen oft schwer.

Glücklich macht es nur, dass zu tun, was sich richtig anfühlt. Zu oft stehen uns Normen, Vorstellungen, gelernte Verhaltensmodelle entgegen und wir tun nicht, was sich richtig und gut anfühlt, sondern etwas anderes.

Es ist ein Akt der Freiheit, sich zu entscheiden. 

27.06.13

Morgen ist mein letzter Tag in der Praxis als Chef. Und einiges ist noch vor dem Abmarsch zu tun. Die Abschiede nehmen kein Ende. Wie anstrengend diese Tätigkeit wirklich ist, spüre ich erst jetzt richtig. Und ich weiß, ich würde auch keinen Tag länger bleiben dürfen.

Es sah schon fast so aus, als hätte ich meine ganze Unternehmung aufschieben müssen. Umso mehr freut es mich, dass ich jetzt davon ausgehen kann, am 12.07. losgehen zu können. Der Rucksack ist fast gepackt, die Strecke weitestgehend fest, einige Stationen auf dem Weg vereinbart. 

Manchmal keimen auch Ängste und Befürchtungen auf, die sich jedoch der Vorfreude und Neugier gegenüber immer unterlegen zeigen.

Ich werde des Öfteren gefragt: Warum Rom? Meine etwas lapidare Antwort lautet dann in der Regel: In Santiago war ich schon, Jerusalem war mir zu weit und Syrien wegen den Krieges zu gefährlich zu passieren. So pilger ich nach Rom.

Es hat mich besonders erfreut, daß mit Papst Franziskus das Ziel eine Hoffnung auf eine weltoffenere und einendere Kirche bekommen hat. Und es ist mir damit eine besondere Freude, mit meiner Pilgerwanderung auch ihm zu huldigen.

Als Nachfahre von Hugenotten ist es mir ein Zeichen der Versöhnung, nach Rom zu gehen und dabei einen Weg durch Frankreich zu wählen. Auch fühle ich mich als Pionier (einer familiären Tradition folgend), nicht auf eingetretenen Wegen, sondern auf einem noch relativ zugewachsenem Weg dahinzuschreiten.

Meine erste Überlegung war die Via Francigena von Canterbury nach Rom zu wählen. Bis ich mich entschied, gemäß der alten Pilgerregel, von meiner Haustür aus los zu gehen. Damit schaffe ich mit meinen Füssen eine Verbindung von meiner geliebten Heimatstadt Bielefeld zum religiösen und weltgeschichtlichen Zentrum Rom.

08.07.13

Jetzt plane ich seit mehreren Monaten meine Pilgerwanderung, viele Details habe ich gut durchdacht, Alles so weit geplant, daß ich 3 Monate abwesend sein kann. Sogar im Radio Bielefeld war ich zu Gast um von meiner geplanten Pilgerwanderung zu berichten.

Die innere Komplett-Reinigung ersehne ich so sehr, der seelische Reset ist mir so wichtig. Und jetzt steht erenut alles in Frage. Ich werde hier dringend gebraucht. Wenn ich jetzt gehe mach ich mich vor mir selber unglaubwürdig. Wenn ich jedoch hier bleibe, um für die, die ich liebe, da zu sein und ihre Interessen zu schützen, werde ich dieses ganze Jahr hier nicht mehr weg kommen. Es gibt Verantwortungen, denen ich mich nicht entziehen will. So wird es auf ein Stop- and Go Pilgern hinauslaufen. Ich will endlich losgehen und ich will meine Familie jetzt nicht alleine lassen. So werde ich wohl alle paar Tage von dort, wo ich gerade bin, einen Abstecher nach Hause machen, tuen, was zu tuen ist und dann meine Wanderung fortsetzen. Und irgendwann werde ich in Rom ankommen. 

10.07.13

Mein Berufsalltag hat so ausgesehen, daß ich in der Regel im 30 Minuten-Takt 12-15x am Tag über Begebenheiten gehört habe, die nicht gut sind, wo Menschen unfreundlich bis hin zu feindselig mit Kindern und Eltern umgingen. Dies hat mein Weltbild doch sehr negativ beeinflusst.

Jetzt treffe ich auf viele Menschen, die freundlich, offen, hilfsbereit sind, zuhören, sich bemühen.

Ich sehe wieder all die Freundlichkeit und den Heldenmut. Es gibt so viele Menschen, die für Andere nur Gutes wünschen. Das macht mein Herz leicht. 

11.07.13

Morgen früh gehen wir los. Ute wird mich die ersten 2 Tage begleiten. Wir gehen los, obwohl ich nicht alles habe regeln können, was ich hatte regeln wollen. Es war einfach zuviel. Und ein Aufschieben um ein paar Tage hätte es auch nicht geändert. Ich wäre nie fertig geworden. Es hält mich hier vieles fest. Es ist, als hätte sich im letzten Moment alles gegen meine Abreise verschworen. Das Nächste ist, daß der erste anvisierte Campingplatz geschlossen zu sein scheint. Nun, so beginnt das Abenteuer am ersten Tag. Da werde ich hoffentlich schnell auf andere Gedanken kommen und nicht mehr so an dem hiesigen Chaos festhängen. Es hat keinen Sinn, wenn ich mir Gedanken über Sachen mache, die nicht zu ändern sind.

Die Pilgerwanderung beginnt

12.07.13 - 23,2 Kilometer

Heute sind wir losgewandert, erst auf den Hermannsweg herauf und dann immer auf dem Kamm entlang. Da ich im Rahmen einer nochmal radikalen Reduzierung des Gepäcks leider auch meinen Pilgerausweis zu Hause ließ, machten wir in Oerlinghausen eine Pause und meine liebe Mutter brachte ihn nach. Ich hatte doch vergessen, daß Wandern mit Rucksack anstrengend und schmerzhaft sein kann, gerade am Anfang. Dabei bin ich jetzt schon bei nur noch 12 Kilo inclusive Wasser und Proviant. (etwas mehr, als ich im Vorfeld behauptet habe, ich weiß auch nicht wie das dann kam....) Jetzt sind wir auf einem netten kleinen Campingplatz in Pivitsheide. Es ist alles perfekt. Bloß die Netzverbindung ist so schlecht, daß ich nicht ins Internet komme. 

13.07.13 - 32,6 Kilometer

Wir haben uns etwas übernommen. Oder vielmehr habe ich falsch geplant. Ich dache, wenn ich in Spanien 35 Kilometer am Tag gelaufen bin, dann sind 29 kein Problem. Dann haben wir ausgeschlafen und sind ohne nennenswerte Pause gewandert, am Ende vielmehr nur noch marschiert. Die letzten 15 Kilometer haben wir uns mehr geschleppt. Fühlten uns ziemlich behindert. Auch jetzt sieht mein Bewegungsverhalten eher wie das eines 80 jährigen aus.....

Nun, die Gedanken sind nicht wesentlich weiter gekommen, als bis zu der Frage, wie wir bloß diese Strecke schaffen sollen.

Morgen wird es besser, bessere Zeitplanung und kürzere Strecke.

14.07.13 - 29,8 Kilometer

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, weniger zu gehen, aber dann kam es doch anders. Die erste Hälfte hat mich Jakob begleitet. Nachdem er erst noch Schulterpolster aus Fahrradgelsattel erfunden hat, die wir morgens noch gemeinsam genäht haben. Diese Schulterpolster haben mir heute wunderbare Dienste geleistet. Es war sehr schön gemeinsam zu wandern. Die Gespräche haben mich in meinen Entscheidungen weitergebracht. Ich habe mich überwunden und habe heute jemanden gefragt, ob ich im Garten mein Zelt aufstellen darf. Ich bin sehr freundlich aufgenommen worden, habe mich richtig nett auf der Gartentreppe sitzend unterhalten und vom Sohn der Familie - Lukas - selbstgezogene Erdbeeren angeboten bekommen. Damit war es ein in jeder Hinsicht schöner und runder Tag. 

15.07.13 - 33,5 Kilometer

Es ist Mittag, ich bin schon 15 Kilometer gewandert. Heute habe ich alles richtig gemacht. Ich bin um 6:45 aufgebrochen. Ich hatte eigentlich Felix (oder Lukas?) gesagt, ich würde erst um 7:45 gehen, dann war ich aber schon wach und die Luft rief zum Aufbruch (Liebe Gastgeber, wenn Sie dieses lesen sollten, schreiben Sie mir doch bitte eine eMail mit ihrem Namen und Adresse, dann bekommt ihr Sohn von mir eine Karte aus Rom). Ja, so bin ich zeitig aufgebrochen, erst eher humpeln, aber nachdem ich mich warmgelaufen hatte, verloren auch die Schmerzen ihre Bedeutung und eine wohltuende Leere machte sich breit. Nach den ersten 10 Kilometern fand ich dann ein Cafe, dort setzte ich mich nieder, führte ein sehr freundliches Gespräch mit dem über 70jährigen Besitzer, der die Hetze und Oberflächlichkeit um sich herum mit großer Sorge betrachtet. Nach einer Stunde brach ich wieder auf, doch jetzt wird es langsam heiß, ich sitze im Schatten zweier großer Linden und blicke auf das weite Land.

16.07.13 5:30

Ein paar Worte zum Zelten: Da ein Haus nicht mehr in erreichbarer Nähe erschien, um nach ein paar Quadratmeter Rasen für mein Zelt zu fragen, blieb ich auf einer Wiese an einem wunderschönen kleinen Fluss. Da hier jedoch ein Radweg entlang läuft, war hier noch relativ lange jemand unterwegs und ich fürchtete entdeckt zu werden.. Als dann noch ein jugendlicher Radfahrer an einer Stelle länger stehenblieb, von wo er mich hätte sehen können, bereitete mir das echte Sorgen.Erst nachdem über eine Stunde keine Bewegung mehr auf dem Weg zu sehen gewesen war, baute ich dann auch das Zelt an einer halbwegs geschützten Stelle auf (es blieb auf dem Präsentierteller). Mein Nachtschlaf war wesentlich leichter als sonst - es scheint als seien die Sensoren etwas feiner eingestellt.

16.07.13 - 31,8 Kilometer

Ich bin gut in Usseln angekommen, nach einem sehr beschwerlichen Tag. Jede Menge Bremsen, Hitze, viel Aufstieg, Dann gab es einen Weg garnicht, den es laut Garmin gab, da bin ich durch ein dichtes Gestrüpp und einen dichten Wald geklettert, weil ich nicht zurückgehen wollte und habe mich dabei ziemlich gekratzt und eben auch die besagten Zecken erworben. Heute habe ich in Usseln gleich beim ersten Haus geklingelt, daß mit gefiel, und hier stehe ich jetzt im Garten. Ich bin freundlich aufgenommen worden. Ich bin unglücklich, daß ich Morgen meine Reise unterbrechen muss, und ich tue es trotzdem gerne, vor allem, wenn mich Ute abholt. Das macht es gleich wieder verlockend. Ich bin schon gut im inneren Trab, da würde ich natürlich lieber direkt weiterlaufen, als durch eine Unterbrechung erstmal wieder im normalen Tätigkeitsmodus zu fallen - und die Füße taten gerade mal nicht mehr so sehr weh..... 

Die großen Zeiten zwischen den Veröffentlichungen liegen an dem schlechten Netz! Die Verbindung über den Hotspot funktioniert nicht. Darum gibt es jetzt immer Blockweise Updates!

17.07.13 - 18 Kilometer

Heute habe ich mich geeilt, das war nicht gut, gehetzt bin ich vielmehr, um möglichst schnell in Winterberg anzukommen und von dort meinen „Heimatbesuch“ zu starten.Hetzen ist nicht gut, erst recht nicht, wenn die Strecke nach wie vor nicht ganz sicher ist. Garmin berechnet ständig neu und so laufe ich dann und wann Zick-Zack oder in die Irre. So ist auch der Weg bis Winterberg deutlich länger geworden.Gestern Abend habe ich von meinen Gastgebern noch wertvolle Tips für die weitere Tourplanung bekommen, nachdem ich an der „Nicht-Existenz“ des Fernwanderwegs E1 fast verzweifelte. Genächtigt habe ich in Usseln, dem "kältesten Ort Hessens" (Ich hatte garnicht gemerkt, daß ich die Grenze überschritten hatte). Mein bisheriges Fazit zum Sauerland: Sehr hügelig, sehr schöne Aussichten, der Tourismus begrenzt sich auf wenige Zentren, ansonsten: Natur pur.

Und: „Geist befreien“ kann sehr anstrengend und schmerzhaft sein

18.07.13 - Bielefeld

Meine religiösen und spirituellen Beweggründe: Ich bin Christ und Weltgeist. Weltgeist: Ich glaube, daß in allen Religionen und Weltanschauungen ein Teil der großen Wahrheit steckt, jedes ein Teil des großen Mosaiks des Lebens und des Geistes ist. Gott ist zu groß, als daß er sich in ein Buch packen ließe. Auch ein Buch, gleich wie wir es nennen, ist nur der Versuch sich ein Bild des Geistes zu machen. Jede Religion ist der Versuch das Unfassbare fassbar zu machen, beherrschbar zu machen.

In jedem Detail des Lebens sehe ich die Liebe des Geistes.

Ich pilger um dem Weltgeist zu begegnen und die Schöpfung zu huldigen. 

Morgen setze ich die Pilgerwanderung ab Winterberg fort.

19.07.13 - 26,6 Kilometer + 4 Stunden Zugfahren + 2 Stunden Auto fahren

Morgens bin ich erst mit dem Zug wieder nach Winterberg gefahren und habe mich, dem Rat meiner Usselner Gastgeber folgend, am Rothaarsteig orientiert. Auch bin ich zur klassischen Wanderkarte zurückgekehrt, nachdem ich mit dem GPS und dem Folgen von Wegmarkierungen zu sehr in die Irre gelaufen war.

Der Weg war sehr schön, ein herrliches Wetter, gut zu folgende Strecke, und auf dem Kahlen Asten war ich, ohne von dem Anstieg viel gemerkt zu haben. Eine wundervolle Aussicht.

Als ich gerade auf dem Abstieg war, erreichte mich der Rückruf nach Bielefeld. So vereinbarte ich mit meiner Mutter, daß sie mich in Bad Berleburg abholt. Mein Schritt wurde schneller, es war eher ein Traben und die letzten 7 Kilometer auf Asphalt haben meine Füsse zum Glühen gebracht.

Jetzt kommt eine Unterbrechung deren Länge ich noch nicht abschätzen kann. Und ich bin froh, schon mal losgegangen zu sein, immerhin habe ich bereits eine Strecke von 195,5 Kilometern zurückgelegt, daß ist für den Anfang schon mal sehr gut, eigentlich mehr, als ich mir vorgenommen hatte.

Unterbrechung

24.07.13 - Bielefeld

Ein paar Tage werde ich noch hier bleiben, ehe ich meine Pilgerwanderung ab Bad Berleburg fortsetze.

Europäischer Fernwanderweg E1

Der Europäische Fernwanderweg geht (theoretisch) von Mittelschweden bis Umbrien.  

Bis Detmold sind wir auf dem Hermannsweg gegangen, ein gut ausgebauter, gut beschilderter Weg. Der Anstieg zum Hermann ist etwas steil und damit auch für Menschen mit schlechter Kondition eher nicht geeignet. Insgesamt aber gut zu gehen. Er verläuft im wesentlichen auf dem Kamm des Teutoburger Waldes. Bei den Extersteinen kommt dann aus dem Norden der E1. Bei diesem war die Beschilderung bis Altenbeken vorhanden, wobei wir auf der Strecke einen Abzweig übersahen. Ab Altenbeken war der E1 kaum noch beschildert, dies hat sich bis Bad Berleburg nicht wesentlich geändert. Besonders problematisch wurde es in der Umgebung von Eimelrod, einem kleinen Ort im Sauerland, da dort die lokalen Wanderwege mit E1 bis E5 numeriert sind und dies bei mit entsprechend zu Verwirrung geführt hat. (für den Bruchteil eine Momentes dachte ich, hier träfen mehrere Europäische Fernwanderwege aufeinander). Mein Zwischenfazit lautet daher, daß der E1 mehr ein Konstrukt ist, aber kein ausgeschilderter Wanderweg.

Der E1 ist sowohl in der Navigationssoftware der Topo Deutschland 2012, als auch in den Wanderkarten von Kompass verzeichnet. Als ich dem GPS folgte (gerade wegen der mangelnden Beschilderung), bin ich ziemlich blöd in die Irre gelaufen, da es dort, wo Garmin mir einen Weg anzeigte, nichts gab außer Dickicht.

26.07.13 - Bielefeld

Ich habe lang überlegt, ob ich zum Grund meiner Reiseunterbrechung etwas schreiben will. Ich habe mich entschieden nun doch einen kleinen Einblick zu geben, da es sicherlich auch die weitere Reise unter einen weiteren Blickwinkel stellt.

Heute haben wir einen mir sehr lieben und nahen Menschen, die Oma meiner Kinder zu Grabe getragen. Die ganzen letzten Tage waren dem Abschied gewidmet. Die Sterbebegleitung und die Trauer um sie hat uns sehr eingenommen.

Der Wert des Lebens, der Wert jeden Tages des Lebens ist mir wieder besonders bewußt geworden. Nicht das mir dies irgendwann aus dem Blickfeld geraten wäre, nur Angesichts des Todes eines nahen und geliebten Menschen bekommt es einen ganz besonderen Wert auch für das eigenen Leben.

Ich bin froh, mich auf den Weg gemacht zu haben, mein Leben umzustellen. Mich auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist. Die liebevolle Zuwendung, Großmütigkeit, Toleranz und Begegnung stehen dabei auf meiner Liste ganz oben.

Am Sonntag oder Montag werde ich die Wanderung fortsetzen. Ich freue mich, daß mich Lea, meine Tochter, auf dem nächsten Abschnitt begleiten will.

2. Start, Weiterwandern ab Bad Berlebung

29.07.13 Neustart - Gedanken im ICE

Diesmal weniger euphorisch und enthusiastisch. Zu viel ist unerledigt geblieben.Und jetzt beginnt die Pilgerwanderung richtig. Ich will nicht nochmal unterbrechen. Kein halber Fuß mehr in Bielefeld. Das macht es auch noch ernsthafter. Das ist jetzt wirklich ein Abschied auf lange Zeit gewesen. Das Haus verlassen, den schönen Garten verlassen. Doch, ich habe ein sehr schönes Zuhause. Und trotzdem gehe ich. Weshalb tue ich es wirklich? Es gibt die Gründe, die Gedanken, Ideen. Und die „wahre“ Motivation dahinter? Welcher Motor treibt mich an, solch einen Wahnsinn zu betreiben? Ich hätte alles denkbare tun können und ich habe mich hierfür entschieden.

Vor mir liegt ein unbekannter Weg, der Himmel öffnet und weitet sich. Noch liegt ein Nebel über den Feldern, ein leichter Dunst, durch den sich die Sonne langsam den Weg bahnt. Am Himmel noch einige Wolken. Der ICE gleitet ruhig über die Strecke. - mit 200 km/h (das entspricht dem in der Stunde, was ich in einer Woche erlaufe. Entschleunigen. Tempo vermindern, gehen.

29.07.13 - 22,3 Kilometer - Bad Laaspe

Mit dem Zug war ich 6 Stunden bis Bad Berleburg unterwegs. Davon stand ich 2 Stunden rum. Ich hatte viel Zeit mich mit einem Mitreisenden zu unterhalten. Das Thema war die Zunahme der Geschwindigkeit in Allem, daß man keine Zeit mehr zum Innehalten hat. (Dafür war der stehende Zug der passendste Ort)Und die Frage blieb im Raum, wer das den eigentlich so will und wer was davon hat. Wo doch alle sehen, daß von dieser Beschleunigung des Alltags viele Menschen nur krank werden können.

Meine Wanderung stand heute unter dem Aspekt des „Leerens“ Ich muß mich erst Leer machen, ehe etwas Neues entstehen kann.Meine Kreativität hält sich in Grenzen.Der Weg war verlassen, ich bin niemandem begegnet, dann regnete es etwas, aber gerade so viel, daß es angenehm abkühlte. Ich hatte das Gefühl ständig An- und Abstiege zu haben, der Weg war sehr abwechslungsreich, mal Asphalt, mal Feldweg, mal Waldweg und zum Teil habe ich mich durchs Dickicht geschlagen.Alles war gut.

30.07.13 - 31,6 Kilometer - Gernsbacher Höhe im Wald

Der Kopf wird immer leerer. Und das ist gut so. Gefühlt bin ich schon lange unterwegs. Heute bin ich ein großes Stück mit einem Rentner gegangen, der den E1 bis zum Bodensee gehen will. Wir haben uns gegenseitig beschleunigt. Ich war von seinem Tempo beeindruckt. Den Rothaarsteig zu gehen ist sehr angenehm, es gibt zwar auch einige Auf- und Abstiege, aber die halten sich in Grenzen. Füße und Rücken haben sich wieder an die Belastung gewöhnt.Nur das Thema Schlafplatz bleibt spannend. Heute gab es auf den letzten 10 Kilometern kein Haus und dann kam noch der Regen hinzu. So habe ich mich entschieden, mir einen Platz im Wald zu suchen. Das ist nicht wirklich gemütlich. Erst prasselte der Regen auf das Zelt herab, dann habe ich Motocrossräder gehört und jetzt gibt es manchmal in der Ferne Schüsse zu hören. Ich denke zwar nicht, daß mir etwas passieren kann (und wenn mich ein Jäger aus versehen erschießt, merke ich dann auch nichts mehr....) und ein ungutes Gefühl bleibt.

Gedankensplitter von unterwegs: Ich pilger für die Langsamkeit, für die Entschleunigung des Alltags, für den Freiraum zuhören zu können. Die Kinder (und nicht nur die) brauchen Zeit und Ruhe mit- und füreinander. Kreativität braucht Langeweile und Langeweile kann in einer reizüberflutenden Umgebung nicht entstehen.

Ich bin selber noch beschleunigt, renne zum Teil an allem vorbei. Nur manchmal öffne ich wirklich meine Sinne und nehme meine Umgebung wahr. Den Duft von Mädesüß, das Gurgeln eines Baches, das Rauschen der Blätter, das Prasseln des Regens, das anschließende Tröpfeln der Tropfen von den Blättern und Nadeln. Und jetzt das Brummen einer Fliege hier im Zelt. Um hierdrin zu schreiben benötigt es schon einiger Verrenkungen, aber es geht. Nur nicht zu lange.

31.07.13 - 35 Kilometer - ein Waldrand zwischen Hof und Bad Marienberg

Der Tag begann so, wie der letzte geendet ist - mit Regen. Der Wecker klingelte um viertel nach 6 und ich hörte es auf das Zelt prasseln. Da drehte ich mich um und schlief noch eine Stunde. Als es dann nur noch tröpfelte, räumte ich alles zusammen, packte das klitschnasse Zelt ein und machte mich auf den Weg. Es windete, die Wolken zogen durch den Wald, es schien, als sei es plötzlich Herbst geworden. Im Weiteren gab es dann nur noch kurze und kleine Regeneinlagen, die dem Wandern aber nicht abträglich waren. Bei der Gelegenheit sei der Hinweis erlaubt, das der Rothaarsteig auch nach heftigen Regengüssen noch gut zu begehen ist. Einen langen Teil des Weges begleitete mich intensives Grillenzirpen und der intensiv süssliche Duft des Mädesüß hing in der Luft. Da meine Vorräte wegen der Ferne zur Zivilisation mittlerweile sehr knapp waren, bestand mein Frühstück im Wesentlichen aus Himbeeren, die ich am Wege fand - keine Sorge, ich habe nur die gepfückt, die so hoch wuchsen, daß kein Fuchs an ihnen hätte entlang streifen können.

Auf dem Weg zogen die Gedanken vorbei wie Schmetterlinge, kaum einen konnte und wollte ich lange halten. Der Weg glitt unter mir hinweg.

An einer Stelle des Weges kam ich über eine Kuppe mit hohen Windrädern, die fast bedrohlich dröhnten und summten. Angetrieben von einem harten Wind.

Zu meinem Kernthema, der erforderlichen Entwicklungsbedingungen für Kinder geht es immer wieder um die Erfordernis, daß Kinder einen Entwicklungsspielraum brauchen, der Ihnen in unserem derzeitigen System nicht mehr zur Verfügung steht. Das System ist so ausgebaut worden, daß ohne Rücksicht auf das Entwicklungsalter der Kinder ein hoch angepasstes Verhalten gezeigt werden soll. Das System läßt nur noch ein Dasein als Fischstäbchen zu. Für die die es sind, ist es erstmal bequem, alle anderen ecken an, und werden mit ihren Flossen als krank eingeordnet. Es kann jedoch auch bei aller Rationalisierung in den Lernfabriken nicht gesellschaftliches Ziel sein, am Ende nur angepasste und frustrierte Menschen zu produzieren, die andererseits die Grundanforderungen für betriebliche Ausbildungen kaum erfüllen.Das Tempo wird erhöht, die Auslese verschärft und am Ende kommen nur lebensunfähige Menschen dabei heraus. Es muß doch jedem klar sein, dass es so schon mal nicht gehen kann. Im Übrigen wird dann zum Ausgleich immer nach Therapeuten gerufen, damit diese die Kinder richten. Ob mit Therapien unterschiedlichster Art oder mit Medikamenten. Die Anpassung an ein Ideal soll erfolgen. Menschen sind aber nicht krank nur weil sie nicht absolut Systemkompatibel sind.

Was heißt dies im Umkehrschluss? Nun, viele Leute, die schlauer sind als ich, haben es schon auf den Punkt gebracht. Wir brauchen offenere Schulen, eine motivierendere und weniger dressierende Lernatmoshäre, entspanntere Eltern.Kinder müssen sich langweilen dürfen. Langeweile ist eine wichtige Vorraussetzung für Kreativität und Wissenserwerb. Neugier muß geweckt werden. Die bleibt schlummernd, wenn man ohnehin den ganzen Tag mit Reizen zugebombt wird.Ich plädiere für eine Reduzierung all der gut gemeinten Freizeitprogramme und eine Entfernung der elektronischen Spielzeuge aus den Kinderzimmern.

1.08.13 - 21Kilometer - Dreifelder Weiher

Heute ist Lea (meine Tochter) zu mir gekommen. In Nistertal habe ich sie Mittags vom Bahnhof abgeholt, seitdem marschieren wir gemeinsam. Mit den üblichen Abenteuern, Wegen, die längst überwuchert sind, Ästen die nach uns greifen. Beim ständigen kontrollieren des Weges im GPS habe ich einen ersten Schmiss erhalten, da war plötzlich ein Ast der mir ins Gesicht griff. Und es war heiß. So habe ich versuchsweise die Wanderstiefel gegen Sandalen getauscht. Das ging doch besser als erwartet, nur all die kleinen Steinchen waren mehr als nur lästig. Also für die ganze Stecke ist es nichts, aber mal 10 oder 20 Kilometer damit zu laufen ist eine angenehme Abwechslung für die Füsse.Jetzt sind wir auf einem Campingplatz an einem See Das ist sehr nett hier.

Der Weg ist offener geworden, weniger Wald, viele große Wiesen, die der Heuernte zu dienen scheinen, ein weiter Himmel.

2.08.13 - 32,2 Kilometer - Montabaur

Heute war es unglaublich heiß. Wir sind schon sehr früh aufgebrochen, haben eine schöne Pause an einem breiten Bach gemacht, bis Mittags ging es eigentlich. Der Küster und der Pfarrer von Maxsam waren sehr freundlich und haben uns mit Wasser und Pilgererfahrungen versorgt.Dann ging es weiter und wurde immer heißer. Lea machte mich mit offenen Augen auf vieles Aufmerksam, was mir so nicht aufgefallen war. Die zahlreichen kleinen Frösche, die Vielzahl von Schmetterlingen in ihren bunten Farben, die einzelne Kuh auf der Weide. Der Sommer steht in voller Höhe, an den ersten abgeernteten Feldern kamen wir vorbei. frisch gemähtes Gras. So riecht der Sommer. Mittags fanden wir einen Schattenplatz wo wir erstmal eine Stunde schliefen, doch auch um 16Uhr war es noch heiß. Wegen des mittlerweile üblichen Themas, daß Garmin immer einen zwar kurzen, aber nicht unbedingt gehbaren Weg für uns hat, wurde dann aus den angegebenen 25 Kilometern 32. Die letzten Meter schleppten wir uns zur Jugendherberge hoch. Nicht mehr in der Lage nur noch einen Schritt zu gehen.

3.08.13 - 6:30 - Jugendherberge Montabaur

Heut morgen bin ich vom Grummeln am Himmel wach geworden, von Westen ziehen dunkle Wolken langsam auf. Ehe halbdunkle Wolken. Der Wetterdienst hat heute Morgen eine Wetterwarnung herausgegeben, mit starken Gewittern sei in den nächsten 2 Stunden zu rechnen. So werden wir wohl unseren Aufbruch verschieben. Dafür sind wir genau am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Wobei es so schlimm nicht aussieht, wenn ich an den Himmel blicke. Nun, die Wetterdienste sind sich nicht ganz einig: Meteoblue ,der Wetterdienst, der das Wetter außerhalb der Schweiz immer etwas regnerischer macht, als es wirklich wird, gibt Starkregen und im weiteren Dauerregen für den ganzen Tag an. Also, wer sich für den schlechtest möglichen Fall einrichten will, der gucke bei Meteoblue nach. Wetter.com hingegen veröffentlicht für heute morgen zwar die Unwetterwarnung des DWD, gibt aber gleichzeitig nur minimale Niederschlagsmengen an. Während der Niederschlagsradar anzeigt, daß eine Regenfront über uns hinwegziehen wird, die sich von ca 8Uhr bis 11Uhr abregnet. Eigentlich ist die Vorraussage des Niederschlagsradars in der Regel bzgl. des Regens am verläßlichsten. Trotzdem ist es bei all dem nicht leicht eine Entscheidung zu treffen, ob wir jetzt losgehen sollen. Wir warten jetzt noch ab, ob uns das Unwetter erwischt, dann ziehen wir los.

Ein Bett ist doch absoluter Luxus. Und ein Badezimmer mit Waschbecken und Dusche noch viel mehr. Es war schon ein großer Genuss, nach dem Aufstehen erstmal mit kaltem Wasser aus dem Wasserhahn das Gesicht waschen zu können.

3.08.13 - 26 Kilometer - Nassau

wetter.com hatte Recht!, es gab ein sehr kurzen heftigen Regenguss, dank dessen wir noch ein Frühstück vor dem Aufbruch zu uns nahmen. Dann gingen wir auf dem Wanderweg 4a von Montabaur nach Nassau. Ein sehr schöner Wanderweg, gut ausgebaut, entspannt zu begehen. Nur das Endstück ab Dies wurde nochmal sehr bergig. Als sich der Himmel auf dem Weg nochmal verdunkelte und ein erneutes Donnergrollen zu hören war, beschleunigten wir unseren Schritt, da wir auf dem Plan gesehen hatten, daß ein Campingplatz in der Nähe war. Letztlich erreichten wir punktgenau ein Bushäuschen in der Nähe eines Tagungshauses, bevor der Regenschauer herabbrach. Wir wurden gleich registrriert und ein freundlicher Mitarbeiter des Tagungshauses brachte uns eine Bionade unter unser sicheres Dach. Und dann gingen wir weiter und erreichten trocken und wohlbehalten Nassau. Leider enden hier meine Wanderkarten und wir werden uns auf dem weiteren Weg rein auf das GPS verlassen müssen. 2 Tage bis Rüdesheim. Ich bin gespannt.....

4.08.13 - 29,5 Kilometer - Nastätten

Heute haben wir unseren guten Rhythmus fortgesetzt. Früh aufgebrochen, Die Morgenfrische nutzend, über einen wunderschönen Wanderweg, den Mühlbachweg in vielen Kurven an mehreren Mühlen vorbeikommend sind wir gut in Nastätten angekommen, wir haben viele kleine Pausen gemacht, haben uns an dem schönen Himmel, dem Bach und den schönen Wäldern erfreut. Im Wald haben wir das Gesicht eines versteinerten Riesen entdeckt, der friedlich schlafend versteckt lag. Nachmittags wurde es wieder heiß, vor allem, als wir unseren Weg an den reifen Kornfeldern vorbei, ohne Schatten nehmen mußten. Wir wurden belohnt mit einem schönen Capingplatz auf dem einfach alles stimmt. Auch das passende Garn, um meine Polster an den Rucksack wieder anzunähen habe ich bekommen.

5.08.13 - 32,8 Kilometer - Wiese bei Steinhausen

Ein Tag voller Abenteuer geht seinem Ende zu. Der Mühlbachweg ab Nastätten war nicht existent, Der Weg führte uns durch das Unterholz dichter Wälder, über von Wildschweinen zerwühlte Wege, an einer Stelle mußte wir über eine verschlammte Trinkstelle für Kühe, An einer anderen mußte ich den Strom des Zaunes abstellen, damit Lea ihn übersteigen konnte. Heute wurden wir von Unmengen kleiner Fliegen belagert. Lea kämpfte mit ihren Blasen an den Füssen, die Trotz guter Verpflasterung an Größe kontinuierlich zunahmen.

Wir mußten mal wieder die Erfahrung machen, daß Wegbeschreibungen von Einheimischen in die Streckenüberlegungen einbezogen werden können, in ihrem Wahrheitsgehalt jedoch eher unwahrscheinlich sind.Nach einem Kontakt habe ich dann überlegt, daß Karten lesen doch dringend in der Schule gelehrt werden sollte. Es erhöht auch die Freiheitsgrade, wenn man sich in seiner Umgebung mit einer Karten orientieren kann. Wir sind dann im Laufe des Tages aus der Karte gelaufen und waren damit wieder rein auf Garmin angewiesen, was auch weiterhin immer ein Abenteuer bleibt.Die Gaststätten hier haben Montags geschlossen, was uns in der Mittagszeit beinahe zur Vertrocknung geführt hätte.

Nachdem der Weg doch sehr beschwerlich war, haben wir Rüdesheim, unser eigentliches Tagesziel nicht erreicht und haben jetzt nach langer Suche einen Platz auf einer Wiese gefunden, wo wir relativ unauffällig stehen.

6.08.13 - 29 Kilometer - Bad Kreuznach

Und wir traten heraus aus den wilden Wäldern des Taunus und blickten über Weinberge hinab auf den Rhein. Ein ergreifender Moment.

Wieder erreichten wir genau zum Einbruch eines heftigen Gewitters mit massivsten Regenfällen ein schützendes Dach und wanderten anschließend singend im Regen weiter, beglückt durch die Abkühlung.

Am frühen Abend erreichten wir glücklich Bad Kreuznach. Der Mann meiner Cousine nahm uns freundlich auf und wir führten angeregte Diskussionen unter anderem zu der Frage, ob man mehr positiven Einfluß auf das Zusammenleben und das Glück der Menschen nehmen kann, als sich in seinem konkreten Umfeld zu engagieren. Dabei brachte ich schon auch meine frustrierenden Erfahrungen aus der Kammerversammlung ein, wo es bei Entscheidungen oft nicht um gesunden Menschenverstand sondern mehr um gemeinsamen Parteienglauben geht.

7.08.13 - 31,7 Kilometer - Gerbach

Heute Morgen wurden wir im Hause meiner Cousine noch gut versorgt, dann brachen wir auf. Lea ist mit dem Zug wieder nach Bielefeld zurückgefahren. So bin ich anschließend alleine weiter gewandert. Auf dem Weg bin ich einigen freundlichen Menschen begegnet. Einem Wanderer, der meinen einsamen Gesang für einen Bienenschwarm hielt, Ein Paar, daß seit Jahren häufig auf dem Jakobweg pilgert lied mich ein und zuletzt der Priester afrikanischer Herkunft in Gebach mit dem ich mich unterhielt.

Ich habe mich besonders über einen Schwarm von Schwalben gefreut, die über einem abgeernteten Kornfeld flogen.

Es hat sich deutlich abgekühlt, was dem Wandern sehr zugute kommt.

Es ist alles einfach wunderschön. Alles was ich sehe erfreut mich. Was leben wir doch in einem schönen Land.Ich habe das bisher nicht so wahrgenommen.

Die Landschaft hat sich sehr verändert. Nachdem ich in der bisherigen Zeit vornehmlich durch Wälder gewandert bin, komme ich jetzt über viele Getreidefelder, die zu einem großen Teil bereits abgeerntet sind.

Ich weiß noch nicht genau, wie der Weg jetzt weitergeht, da ich morgen mal wieder aus der Karte laufe. In Bad Kreuznach war in keiner Buchhandlung in die Folgekarte zu erwerben.

Das Pilgern fängt an vo einer Tätigkeit zum Zustand zu werden. Ein Leben, das nach anderen Gesetzmäßigkeiten läuft als bisher und kein "Ausnahme-" sondern vielmehr ein "Normal-Zustand" ist. Auch das Zeitgefühl fängt an sich zu verändern, wo ich bisher auf die Minuten geachtet habe, wird die Zeit fast gleichgültig. (Nur heute Morgen war ich hervorragend getaktet, als es darum ging, daß Lea pünktlich den Zug erreicht.)

8.08.13 - 35,1Kilometer - Altleiningen

9.08.13 - Mittagspause kurz hinter Bad Dürkheim

Von Altleiningen kommend, ging ich auf sehr gut ausgeschilderten Wegen, dem blauen Rechteck folgend, durch offene Kiefernwälder, an Denkmälern und Aussichtspunkten herab nach Bad Dürkheim. Dort hörte ich in der Schloßkirche der Orgelspielerin beim Üben zu, was für mich ein Hochgenuss war, unter anderem, weil ich seit Tagen außer meinem eigenen Gesang (und dem von Lea) keine Musik mehr gehört habe und mich dann diese Live-Musik umso mehr erfreute.Bad Dürkheim war für mich ein kleiner Kulturschock. Laut, viele Menschen, Autos. Dabei ist Bad Dürkheim nicht wirklich groß. Gestern in der Jugendherberge habe ich das Leben und Treiben noch genossen, hier wurde es mir schnell zuviel und ich machte mich wieder auf den Weg, jetzt über Weinberge.

Gestern war ich schlichtweg zu müde um noch geistreiche Texte zu verfassen, deshalb jetzt noch einen Kurzabriss: Die vorherige Nacht verbrachte ich auf einem Campingplatz. Des Nachts gab es einige Regenschauer, wegen derer am nächsten Tag das Zelt ziemlich nass war. Auch der erste Teil der Tagesetappe durchweichte mich von unten, da der Weg lange über eine feuchte Wiese und dann auf einem durchweichten Waldweg verlief. Nachdem ich den Wald hinter mir gelassen und (vor allem wegen meiner ungünstigen Karte) nun größtenteils auf Radwegen weiterlief, trocknete ich doch relativ schnell. Der Tag war angenehm kühl, ein ideales Wanderwetter. So kam ich dann auch auf die relativ hohe Kilometerzahl.Mein Zelt konnte ich dann gut in der Dusche zum Trocknen aufhängen.

Gehen macht gelassen. Auf dem Weg gehen mir natürlich viele Dinge durch den Kopf. Meine Zukunftsplanung, Verschiedene Aufgaben, die zu Hause anstehen, Dinge, die mich an der Arbeit geärgert haben. Und diese Gedanken kommen und gehen, sind dabei immer weniger emotional geprägt. Ich frage mich, ob dies nur durch den räumlichen und zeitlichen Abstand entsteht, oder ob es so etwas wie EMDR mit den Füßen geben kann. (EMDR ist eine therapeutische Behandlungsmethode zur Behandlung von Traumata, bei der durch eine abwechselnde rechts-links-Stimulation die bedrohlichen Gefühle von der reinen Erinnerung getrennt werden). Es könnte ein interessantes Untersuchungsprojekt sein, zu untersuchen, inwieweit das Gehen bei dem Durcharbeiten von Problemen einen zusätzlichen Heilungseffekt hat. Ich habe schon erste Ideen wie eine entsprechende Studie aufgebaut werden könnte. Da ich ohnehin überlege, ob ich mich nicht nach meiner Pilgerwanderung nochmal hinsetzen will, um eine Doktorarbeit zu schreiben, könnte dies eine interessante Frage sein. Zuerst hatte ich an ein Thema aus dem Bereich des KiP gedacht, aber mal sehen, was sich da noch gedanklich weiter an Ideen einstellt.

Die Gedanken, die ich mir beim Gehen durch den Kopf gehen lasse, lasse ich gehen.

9.08.13 - 25 Kilometer - eine Wiese oberhalb von Deidesheim

Ab Bad Dürkheim habe ich den Wanderweg Deutsche Weinstrasse gewählt, da er größtenteils am Waldrand und über Weinberge geht. Also schön abwechslungsreich. Er war bis hier sehr gut ausgeschildert und gut zu gehen.Der Weg bis zum nächsten Ort wurde mir zu lang. Heute habe alles mit mehr Ruhe angehen lassen. Und so habe ich endlich mal meine vorgenommene Kilometerzahl tatsächlich eingehalten.

Das ist mal hervorragend. Auf der Wiese sitzen, einen Blick über die Felder und dabei ins Netz kommen...

10.08.13 - 32 Kilometer - St.Anna-Hütte

Gestern Abend war der Genuss des schönen Ausblickes nur kurz, da mir mit einem Mal eine große Spinne den Hals entlang lief (ich schein wirklich meditativ sehr versunken gewesen zu sein). Das erschreckte mich derart, daß ich mich vor weiteren Angriffen vor „Bestien“ schützen wollte und mich ins Zelt zurückzog.

Gefolgt bin ich heute dem roten Rechteck. Nicht immer, weil es an einzelnen Stellen zu viele Bögen machte, dann habe ich Abkürzungen gewählt. An einer Stelle gab es einen verlockenden, aber folgenschweren Aufstieg zum Hambacher Schloss. Es gestaltete sich letztlich doch sehr mühsam. Ich wurde mit einem wunderbaren Ausblick und einem schönen Stempel in mein Pilgerbuch belohnt.

Beim Abstieg folgte ich mal wieder Garmins Abkürzung, überstieg dabei eine sicherlich absichtlich erstellte Hürde und wurde dann von den Weg zuwuchernden Brombeeren etwas zerkratzt. Dafür war ich wirklich sehr schnell wieder im Tal und konnte meine Wanderung, dem roten Rechteck folgend fortsetzen. In St. Martin habe ich eine sehr schöne Kirche von innen besichtigen können und war froh, daß der weitere Weg weitestgehend durch einen Kastanienwald verlief. 

11.08.13 - 22,8 Kilometer - Pleisweiler-Oberhofen

Im Freien zu schlafen ist ja schon immer mit etwas Unruhe und häufigen Wachmomenten verknüpft. Als da oben bei der Hütte denn doch immer nochmal jemand auftauchte und selbst in der fortgeschrittenen Dämmerung noch ein Porschefahrer den Schotterweg heraufgefahren kam, entschied ich mich gegen eine Zeltaufbau an einer sichtbaren Stelle und rollte stattdessen meinen Schlafsack in einer sehr dunklen Ecke, unter abgestellten Tischen, in dem offenen Hauptraum der Hütte aus. In dieser Nacht - ohne den „schützenden“ Rahmen des Zeltes - war ich subjektiv nur wach. Bei jedem kleinsten Knarren im Gebälk fuhr meine Aufmerksamkeit hoch.So stand ich den auch schon um 5Uhr45 auf, genoss bei dem wunderbaren Ausblick den Aufgang der Sonne und machte mich dann auf den Weg zu Ruth, meiner Schwiegermutter. Ich marschierte durch und war so bereits am Mittag angekommen.

Am Abend diskutierten wir noch lange die Bedingungen, die Kinder brauchen um in der Schule erfolgreich sein. In Ruth hatte ich da eine besonders kompetente Gesprächspartnerin, da sie früher Konrektorin einer Grundschule war.

In unserer Diskussion kristallisierte sich heraus, daß gerade der Einstieg in die Schule und das erste Schuljahr wegweisend für den weiteren Lernerfolg sind. Womit wir wieder bei dem Thema wären, daß Kinder einen entwicklungsangepassten Einschulungszeitpunkt brauchen, damit sie gleich optimal Einsteigen, sich damit kompetent erleben können, sie sich zu Beginn der Schulzeit eine gute Wissens- und Kompetenzbasis erwerben können und damit auch die Motivation zum Lernen erhalten bleibt.De facto heißt dies, daß das Einschulungsalter tendenziell wieder raufgesetzt werden sollte, eine gezieltere Einschulungsuntersuchung stattfinden müßte und einzelne Kinder zur Nachreifung noch ein Jahr mehr Zeit vor der Schule bekommen, z.B. im Sinne der früheren Vorschule. Denkbar wäre natürlich auch das Modell der Laborschule, wo die Kinder bereits ein Jahr früher eingeschult werden und dann drei Jahre Zeit haben, um sich im individuellen Lerntempo den Basiskompetenzschatz unserer Kulturtechniken zu erwerben. Dies ist in der Breite jedoch nicht einfach umsetzbar, da dies zum Einen einen veränderten Klassenaufbau und zum Weiteren LehrerInnen benötigt werden, die das Modell erlernt haben und umsetzen können. Die haben wir aber nicht so schnell.

12.08.13 - 28,2 Kilometer - Pilgerherberge in Soultz-sous-Forets

Nach einem guten Frühstück in netter Gesellschaft startete ich um 10Uhr und überschritt nach 10 Kilometern die Grenze nach 

Frankreich

Dies war mit gemischten Gefühlen verbunden. Ich fühlte mich jetzt so ganz weit weg, ein wenig schutzlos, da ich, gerade wegen meines Französisch - Mangels, doch Sorgen hatte, wie ich den wohl zurecht kommen könnte. Und das Übernachtungsthema, welches ja schon in Deutschland immer wieder Grund zur Sorge war, bekam damit auf dem folgenden Weg noch mehr Raum. Es war auch mit einem Gefühl der Trauer verbunden, dem Gefühl jetzt ganz alleine weiter zu gehen. Es gibt keine weitere Station mehr, wo ich ein bekanntes Gesicht sehe. Das wird erst passieren, wenn Ute dann zu mir stößt um mich zubegleiten.

Der Weg selber ist sehr gut ausgeschildert, mit einem blauen X, verlief bis hier weitestgehend über Aspahlt oder Schotterwege, z.T. auch über einen Wirtschaftsweg im Wald, die Gegend ist abwechslungsreich, durch die vielen Hügel ergeben sich immer neue Ausblicke.Im Übrigen kann man sich im Internet den Track für den Jakobsweg bis Belfort herunterladen. Da gibt es dann auch kein Verlaufen mehr, da auf dem Weg ja schonmal jemand erfolgreich gelaufen ist.Nach meiner Wanderkarte gab es etwas abseits vom Jakobsweg zwei Campingplätze. Als ich mich in Soultz-sous-Forets erkundigte, ob es dies Campingplätze wirklich gibt, wurde ich enttäuscht und sah mich schon vor dem Problem, auf Französisch einen Aufstellplatz für mein Zelt erbitten zu müssen oder doch wild zu campen. Dann sah ich im Fenster des Tourist-Büros eine Information, daß es hier eine Pilgerherberge gibt. Und bei dem ungeheuren Glück, daß ich hatte, war das Rathaus noch offen und ich konnte so noch einen Schlafplatz bekommen. Es waren hier alle sehr freundlich und bemüht, daß ich hier einen Platz zum Wohlfühlen finde. Diese Pilgerherberge ist ganz neu und sehr gut ausgestattet. Ich empfehle jedem, der sich auf diesem Weg befindet hier einen Halt zu machen.Ich bin hier heute der einzige Pilger und ich war erstaunt, daß es schön häufig Pilger gegeben hat, die hier übernachtet haben, die jedoch auf dem Weg nach Santiago waren. (Das sind nochmal ein paar Hundert Kilometer weiter, als ich jetzt noch nach Rom vor mir habe). Gerade fängt ein heftige Gewitter an Draussen zu toben und ich bin doppelt froh, diesen trockenen Platz zu haben.

13.08.13 - 26,3 Kilometer - Haguenau

Heute war ein richtig beschwerlicher Tag. Ich habe mich ziemlich vorwärts-geschleppt, der Rucksack drückte, die Füße taten weh, die Strecke wurde nicht kürzer. Nach der gestrigen Erfahrung, daß es eingezeichnete Campingplätze nicht gibt, suchte ich erstmal ein Tourist-Büro, was sich unter Beihilfe eines älteren Mannes trotzdem schwierig gestaltete. Bei der Suche stellte ich fest, daß Hagenau ein sehr attraktives Städtchen mit interessantem Kulturangebot ist. Und einen Campingplatz gab es auch. Meine Stimmung zeigte dann auch gleich wieder einen Aufschwung und die Frage was ich hier eigentlich tue und weshalb ich mich heute so gequält habe, verlor schnell wieder an Bedeutung.

Der Weg selber blieb jetzt der Jakobsweg mit wechselnder Beschilderung. Ich habe etwas gebraucht, bis ich es verstanden habe. Wobei es durch die Kombination der guten Ausschilderung mit dem vorhandenen Track und der Karte ein Leichtes war. Der Weg führte zuerst über Felder. Hier erscheint mir alles offener, weiträumiger zu sein als in Deutschland. Dann ging er über eine frühere Bahntrasse, was an den noch im Boden liegenden Schwellen zu sehen war, und später geradeaus durch den Wald. Es gab kaum Höhendifferenzen, was das Laufen eigentlich hätte leichter machen sollen, aber dem war nicht so. Ich hoffe nur, daß es Morgen wieder besser geht.

14.08.13 - 36,9 Kilometer - Strasbourg

Als ich Morgens aufwachte, war es kalt. Ich packte eilig meine Sachen und machte mich auf den Weg. Es waren 9 Grad! So war ich erstmal relativ dick angekleidet und fragte mich, wie lange ich wohl ohne Handschuhe auskommen werde. Mein Start war besser als Gestern, insgesamt fehlte mir aber der innere Anschub, den ich sonst hatte. Der Weg war gut zu gehen, ich hatte keine großen Steigungen zu überwinden, und eine anrückende Wolkenfront machte es zusätzlich erträglich. Die letzten Kilometer verliefen neben einem Kanal, in dem ich gut die Füsse kühlen konnte. In Strabourg angekommen machte ich erstmal eine lange Pause ehe ich mich dann auf das letzte Stück bis zum Campingplatz aufmachte.

Eigentlich hatte ich Strasbourg als ein Etappenziel angesehen, an dem ich einen Tag Pause mache. Der kurze Aufenthalt in der Stadt war für mich direkt zum Abgewöhnen.

Strasbourg ist sehr schön, hat viele Sehenswürdigkeiten und schöne Stellen, alleine, was ich so schon gesehen habe, hat mich sehr angesprochen. Und die vielen Menschen und der Verkehr vertrieben mich und ich werde Morgen nicht nochmal in die Stadt zurückkehren, sondern langsameren Schrittes meinen Weg fortsetzen.

Wenn ich denn Morgen zum Laufen noch in der Lage bin. Denn ich fühle mich doch etwas beschädigt.

15.08.13 - 24,2 Kilometer - Molsheim

Heute habe ich es ruhig angehen lassen. Ich habe etwas länger geschlafen, so bin ich erst um 7Uhr30 losgegangen (Es war trotzdem noch ziemlich frisch). Der Weg führte sehr lange an einem kleinen Kanal entlang, was erst sehr schön, im Verlauf etwas langweilig wurde. Der Weg war auch ein Fahrradweg und eine Jogging-Strecke. So habe ich heute mindestens 50x Menschen mit „Bon jour“ begrüßt. Einzelne identifizierten mich als Pilger und eine Frau hielt an und unterhielt sich länger mit mir. Ich wunderte mich über die Menge von Menschen, denen ich begegnete, bis ich erfuhr, daß heute ein französischer Feiertag war.

Ich habe mich über die Vielzahl von Tieren gefreut, die ich gesehen habe. Nach den grasenden Wasserratten auf dem Campingplatz von gestern Abend, sah ich in der Frühe zwei Buntspechte, eine gemischte Gänsegruppe, Störche, Schwalben und Kraniche. Der Weg war sehr eben und entsprechend gut zu gehen. Bloß der Rucksack wird mir denn oft sehr schwer.

Ich kam relativ früh in Molsheim an, quatierte mich auf dem Campingplatz ein und hatte noch genügend Energie um einen Stadtrundgang durch diese schöne historische Stadt zu machen. Sogar zum Abendessen nochmal in die Stadt zu gehen fiel mir nicht schwer. Das war mal ein entspannendes Programm. Eigentlich wollte ich es ja so in der Regel handhaben...... Nun, der gute Vorsatz ist da, es das Tempo zu reduzieren.

16.08.13 - 24 Kilometer - Barr

Ein weiterer Tag, an dem ich in beschaulichem Tempo vorwärts schritt, zeitig auf dem Campingplatz ankam und dann noch einen Stadtbummel machte. Heute bin ich wieder dem Jakobsweg gefolgt, der durch ein gelbes Kreuz gekennzeichnet war. Da ich mir den Aufstieg zum Mt. St. Odile ersparen wollte, nahm ich den Weg am Hang entlang, dem blauen Dreieck folgend, bis dann der Jakobsweg wieder aus den Bergen herabkam und ich dann den Rest des Weges in die Stadt, diesmal einem roten Rechteck folgend, wieder auf diesem ging. Ich entschied mich dann, nicht noch weiter zu gehen, da der Ort hier sehr idyllisch und der nächste Campingplatz doch etwas weit war. Mit den Campingplätzen ist es hier sehr praktisch. Sie liegen so dicht beieinander, daß immer einer erreichbar sein müßte. So habe ich auch jeden Abend eine Dusche, die ich beim wilden Campen doch sehr vermisst habe.

Über den Tag hinweg gibt es erhebliche Temperaturunterschiede. Morgens ist es sehr frisch, wobei es heute doch wieder wärmer war, als in den vorherigen Tagen, um 10Uhr war es dann schon wieder so warm, daß ich jede Wasserquelle nutzte um mich zu erfrischen.

17.08.13 - 32,6 Kilometer - Bergheim

Heute war ich wahrhaft wie beflügelt. Mir sind viele nette Menschen begegnet und aus meiner Kommunikationsarmut der letzten Tage heraus, habe ich mit allen, die mir begegneten sind, ein kurzes Gespräch geführt. Besonders schön war es im Benediktiner-Kloster, wo ich ein sehr nettes Gespräch mit der Schwester führte, die mir einen Stempel in mein Pilgerbuch machte. Anschließend war ich noch leichtfüssiger als vorher.Ich habe mir dabei Gedanken gemacht, wieso es eigentlich oft so schwierig ist, friedlich und freundlich zu sein. Die allermeisten Menschen, denen ich begegne, sind offen freundlich, zugewandt, gehen in einen freundlichen Kontakt. Und doch klappt es mit dem Frieden auf der Welt nicht. Der Frieden beginnt bei jedem von uns. Eine Ursache des Unfriedens ist Unzufriedenheit. Jede Härte, die ich einem Anderen gegenüber zeige, ist ein Zeichen meiner Unausgeglichenheit und dem Gefühl von Mangel. Und unsere Gesellschaft ist gekennzeichnet durch Unzufriedenheit und Mangelgefühle. Ständig werden Wünsche produziert, die wir von uns aus garnicht haben, dann muß unglaublich viel gearbeitet werden, um diese Wünsche zu befriedigen. Doch wer ist damit wirklich glücklich? Wer braucht all den Tand? Nette Spielereien, aber nichts, wofür es sich lohnt die Seele zu verkaufen. Doch genau das passiert.

Was macht mich ärgerlich und unglücklich? Mich macht diese Gängelei an dem was „die Ärzte“ machen ärgerlich. Die Politik denkt sich immer neue Gängeleien aus. Und das neue Patientenrechtegesetz ist der blanke Hohn und produziert nichts als noch mehr Bürokratie, Dokumentation und damit noch weniger Zeit für die Behandlung von Patienten. Im Grunde ist jeder Arzt gut beraten, sich von Vornherein einen Anwalt anzustellen. Nach dem Gesetz hat die Behandlung nach den gültigen Leitlinien zu erfolgen. Und wenn die Behandlung nicht nach den Leitlinien erfolgt ist, hat der Arzt nachzuweisen, weshalb er in dem Einzelfall anders entschieden hat.Leitlinien! Die Leitlinien sind bei der Geschwindigkeit der Zunahme medizinischen Wissens schon veraltet, wenn sie herauskommen. Und die ganze Erfahrung hunderttausender von Ärzten wird als ungültig angesehen. So ein Quatsch. Wenn ich immer nach den Lei“d“linien behandelt hätte wären wesentlich mehr Kinder schneller in die Klinik gekommen, mit den entsprechenden unerwünschten Nebenwirkungen eines Klinikaufenthaltes, oder hätten hochdosiert Beruhigungsmedikation erhalten. Das wäre auch nicht gut gewesen, aber eben Leitlinienmedizin. Die Reihenfolge der Medikamente, die einzusetzen ist, entspricht auch eher dem Orakel der Leitlinienersteller, als der Erfahrung in der Praxis. Ein Medikament, daß noch vor wenigen Jahren als Mittel erster Wahl eingestuft war, ist jetzt als unwirksam eingestuft worden. Wie kann sowas sein? Und da sollen die Leitlinien wertvoller als die Erfahrung des Praktikers sein? Heilkunst ist nicht gefragt. Diese Medizin können auch Computer machen.

18.08.13 - 30,6 Kilometer - Eguisheim

Nachdem Ute mir gestern auf die Zusendung eines aktuellen Bildes die Rückmeldung gab, ich sähe abgemagert aus, mußte ich feststellen, daß ich diese Rückmeldung indirekt jetzt schon vorher bekommen habe. Vorgestern Abend hat mir die Campingplatz - Inhaberin noch Salat gegeben, den sie gemacht hatte, gestern Abend bekam ich zwei Stücke Kuchen geschenkt. Und bei dem sehr netten Gespräch mit einem deutschen Paar boten diese mir auch diese etwas zu essen an. Dabei fühle ich mich nicht so dürr! Nun, ich habe es mir zu Herzen genommen und werde meine tägliche Ration um mindestens eine Tafel Schokolade erhöhen und werde auch einmal am Tag etwas Warmes essen. Heute Abend habe ich mir erstmal ein Drei-Gänge-Menü gegönnt, als inneres Zeichen meines guten Willens.

Der Weg bestand heute aus mehreren Abkürzungen. Der Jakobsweg hat jede sich anbietende Steigung genommen, ich zog es dann vor, eher um die Berge herum zu gehen. So bekam ich noch mehr von den Orten und den Randbereichen der Orte zu sehen. Eigentlich wollte ich noch etwas weiter gehen, als bis Eguisheim, aber da es hier viele Restaurants gab und ich nicht wußte, wie es mit der Versorgung im nächsten Ort aussieht, blieb ich hier. Das war sicherlich sehr vernünftig, aber nicht so gut, da dieser Campingplatz groß, unverhältnismäßig teuer und die Frau an der Rezeption unecht freundlich und unkooperativ war. Wenigstens habe ich so mein Zelt vor dem Regen aufstellen können, der sich schon ankündigte.

Der Weg führte mich heute in eine protestantische Kirche, die im Eingangsbereich Informationen über die Geschichte der protestantischen Kirche in Frankreich und die Hugenottenverfolgung stehen hatte. Da ich auf meiner Pilgerreise auch mal an einem Gottesdienst teilnehmen wollte, blieb ich in der Kirche und hörte mir die Predigt an, von der ich natürlich kein Wort verstand. Die Kirche war ähnlich leer, wie die Kirchen in Deutschland sind. Dies hat mich natürlich über die Rolle der Kirche nachdenken lassen. Zusammenfassend ging es dabei um die Verunsicherung und Orientierungslosigkeit sehr vieler Menschen, die letztlich auch viele Vorstellungen von Kindern in unserer Praxis zur Folge hatten.

Orientierungslosigkeit und Halt. Es weiß keiner mehr, was eigentlich richtig ist. So viele Meinungen sind überall zu hören und so vieles wird als nicht normgerecht beschrieben, daß viele nicht mehr wissen, was sie denken sollen. Und es wollen ja alle alles richtig machen. Das erzeugt Angst. Angst und Unsicherheit.

Früher hatte die Volkskirche eine wichtige Funktion darin, Menschen Halt, Sicherheit und Orientierung zu geben. Natürlich tut sie dies zum Teil auch aus guten Gründen nicht mehr, da die Kirche auch abschrecken würde, wenn sie Meinungen verträte. Also wird lieber geschwiegen oder es werden halbherzige Aussagen gemacht, als das Wagnis zu unternehmen, sich zu zeigen und damit eine Reibungsfläche zu bieten.Dieses Vermeidungsverhalten führt leider auf der anderen Seite dazu, daß gerade radikalere religiöse Gruppierungen immer mehr Zulauf erhalten, da sie genau das den Menschen geben.Ein weiterer Teil ist der, daß die Kirchen nicht offen sind. Ich habe auf dem bisherigen Weg sehr viele Kirchen betreten wollen und stand besonders bei den evangelischen Kirchen oft vor verschlossener Tür. Dabei könnte die Kirche ein Ort der Ruhe, Einkehr und Meditation gerade in unserer lärmenden, unruhigen Umwelt sein, ein möglicher Rückzugsort um mal zur Besinnung zu kommen. Die Menschen haben sicherlich auch so unterschiedliche Fluchtpunkte und -möglichkeiten. Die Kirche könnte eine zusätzliche Möglichkeit sein. Natürlich müßte sie dazu auch explizit einladen, sonst nimmt das Angebot niemand wahr.

19.08.13 - 32 Kilometer - Wuenheim

Der Tag fing mit einem steilen Anstieg an, ich wollte schließlich wieder auf dem Jakobsweg weitergehen, der Weg war erst sehr schön, ging durch die Wälder , über den Kamm, zwischendurch nieselte es zwar etwas, aber alles blieb im entspannten Bereich, bloß leider kam ich dabei nicht richtig voran. Da mein Tagesziel nicht richtig näher kam und die Wolken am Himmel immer dunkler wurden, zog ich dann doch wieder den Weg durch die Weinberge und Orte vor. Ein heftiger Regenguss erwischte mich, doch auch dieser war so schnell vorbei, wie er gekommen war. Die schwierige Entscheidung war dann, welchen Campingplatz ich anlaufen soll. Ich war schon etwas erschöpft und hatte die Wahl noch 3 oder 6 Kilometern zu gehen. So entschied ich mich für den näheren. Dies war in jeder Hinsicht eine Fehlentscheidung. Hier gibt es weit und breit nichts zu essen, kein Netz und die Abstände zu den nächsten Plätzen Morgen sind damit sehr ungünstig. Tja, einfach nicht gut durchdacht. Und das, wo ich im Laufe des Tages auf inneren Höhenflügen war. Nun, so mag dieser Campingplatz eine kleine Demutsübung sein. Es ist nur sehr schade, daß ich so nicht mit Ute telefonieren kann, da ich völlig abgeschnitten bin. 

20.08.13 - 41,1 Kilometer - Altkirchen

Das war etwas arg viel heute. Dazu erscheint es mir so, als sei mein rechter Schuh im Ballenbereich eingebrochen. Das fühlt sich nicht gut am beim Gehen, und das gerade jetzt, wo ich meine Sandalen neben ein paar Landkarten und einem Reiseführer nach Hause geschickt habe, weil ich meinte, sie nicht mehr zu brauchen. So werde ich mit den Schuhen nicht lange weitergehen können. Das Zehen fühlen sich auf die Dauer wie betäubt an. Zum Glück kommt Ute am Freitag und bringt mir andere Wanderschuhe mit. 

Es gab auf dem Weg zwei Campingplätze. Auf dem Weg von den Vogesen durch das Sundgau in die Schweiz. Den ersten hatte ich bereits kurz nach eins erreicht, ursprünglich hatte ich vor, dort zu bleibe, aber auch dieser lag fern jeder Versorgung und Infrastruktur So ging ich also weiter, es sollten „nur noch“ 12 Kilometer sein, aber eben zum Einen größtenteils entlang von Landstrassen, gut diese waren nur mäßg befahren, daher ging es eigentlich gut. Als ich aber dann in den Wald auswich (was noch ein paar Kilometer ausmachte), stand ich mit einem Mal auf der großen Baustelle einer Umgeheungsstrasse und alle Angaben von Karte und GPS waren wieder ungültig. So kam ich schließlich zu dieser hohen Kilometerleistung.

Damit nicht genug, war das Camping eigenen Restaurant heute geschlossen, so bin ich trotz der über 40 Kilometer nochmal zur Stadt heruntergelaufen, habe gut gespeist und bin dann den Berg wieder heraufgeklettert.

Nun, bis Ute am Freitag in Porrentruy ankommt habe ich nur noch knapp über 40 Kilometer zu gehen. Das werde ich im Zweifelsfall sogar mit den defekten Wanderschuhen schaffen.

Nun mal zu den ernsthaften Dingen: Wa bauchen wir? Geiz schon mal nicht. Mit Großzügigkeit und Gelassenheit sehen wir schon viel besser aus.

Ich werde immer mal wieder mit interessanten Fragen konfrontiert. Die eine war, ob ich keine Angst hätte. Und ob ich im Wald Angst hätte. Nun, wenn ich durch den Wald gehe, gerade wenn es an einem Tag wie diesem, sehr einsame Waldstücke sind, in einem fremden Land, mit unbekannter Tierwelt, dann bin ich schon sehr aufmerksam. Mit meinen Wanderstöcken klopfe ich laut auf den Boden, daß alles Getier Angst bekommt und flieht. Wovor sollte ich mich fürchten? Nun, daß Extremisten kommen und mich zerlegen, daß stelle ich mir grausam vor. Zum Glück laufen davon nicht so viele durch die europäischen Wälder. Schlangen, ja, Schlangen sind mir etwas unheimlich, deshalb mach ich lieber Krach, da fliehen sie lieber. Und sonst? Ich bin ja nicht alleine. Ich fühle mich nicht alleine. Ich fühle mich durch unsichtbare Kräfte geschützt. Das mag absurd klingen, etwas esoterisch, doch es entspricht meinem Gefühl.

Ich könnte auch sagen, ich bin immer zu Dritt. Mein Über-Ich und mein Es sind auch dabei. Das Über-Ich kann gut Autorität zeigen und Moralisch kommen, das Ich ist ein hervorragender Vermittler und Diplomat und das Es ist eine, von den Beiden gut beherrschte Bestie, die losgelassen ein kleines Inferno veranstalten kann. Wovor also sollte ich mich fürchten?

Das Thema der Angst: Ich bin nicht alleine. Und ich bin nicht Isoliert. Ich bin ein Teil des Universums. Ein Teil der Unendlichkeit. Wir sind alle ein Teil und befinden uns in ständigem Austausch. So bin ich ein Teil von Dir und Du ein Teil von mir. Und wenn wir uns begegnen ist keiner von uns der selbe, wie vorher, wir nehmen etwas voneinander mit. Und am Ende zerstäuben unsere Teile wieder in die unendliche Teilchenmenge und wir sind wieder ganz aufgelöst und vereint mit dem Universum, vereint mit dem Geist, vereint mit Gott. So kann es auch keine Feinde geben, da alles was ich Dir Gutes tue, tue ich mir Gutes.

So ist jeder Egoismus und jede Selbstbezogenheit nur der Versuch einer Trennung von dem Universum, der Versuch einer Trennung von Gott und der Verlust von Liebe.

Wenn ich dies weiß, gibt es keinen Grund mehr Angst zu haben. 

21.08.13 - 27,8 Kilometer - Bendorf

Es begann nach längerem Schlafen, einem Kaffee und einem Croissant sehr schön auf dem Weg mit der roten Raute. Dann verpasste ich einen Abzweig und landete mal wieder auf der Strasse. In Ferrette angekommen, mußte ich feststellen, daß der Campingplatz keiner ist, deshalb mußte ich weiter bis nach Bendorf. Auch die Strasse entlang. Das wäre auch einfacher und schöner gegangen wenn ich mich vorher genauer informiert hätte.

So ging den der Tag auch anders zuende als gedacht. Ich war davon ausgegangen am Rande einer schönen alten Stadt zu campieren, durch die ich nach einem kurzen Wandertag noch schlendern könnte. Stattdessen saß ich fern jeder Zivilisation auf einem Campingplatz im Wald und war angenehm ermattet.

22.08.13 - 23,7 Kilometer - Porrentruy

Der Tag begann wieder sehr früh, Garmin schickte mich mal wieder auf eine Abkürzung, die es nicht gab, dann sah ich zwei junge Füchse auf einem Stoppelacker fangen spielen. Der weitere Weg führte mich durch einen großen alten Wald. Die Bäume erschienen mir alle größer und dicker, als dies auf der bisherigen Strecke der Fall war. Dazwischen mal ein großer abgestorbener Baum, alles sehr unberührt. Dort begegneten mir dann auch Rehe, die aber bei meinem Nähern davonliefen. Nach 12 Kilometern erreichte ich die Grenze. Eine einsame schweizer Fahne und ein Grenzhaus, welches ruhig und still dastand. 

Schweiz

Dann wurde es erstmal spannend, da ich keine Wanderkarte und keine schweizer Karte auf dem GPS-Gerät hatte. In dem nächsten Ort wurde ich dann in der kleinen Tankstelle fündig, die für den Ort der Mini-Shop für alles zu sein schien. Über den Preis der Karte war ich geschockt. 26 Euro für eine Karte, mit der ich letztlich 2 Tage gehen kann. Das die Wanderkarten zur teuersten Tagesausgabe werden, hat sich ja schon in Frankreich gezeigt, aber so teuer.... .Nun die Software für Garmin war auch wesentlich teurer als für die anderen Länder.Nun, dann mit einer Karte ausgestattet, suchte ich mir einen Weg fern der Strassen nach Porrentruy. Auf dem Weg machte ich eine unangenehme Begegnung mit einem Hund, der zu einem der Höfe zu gehören schien, frei herumlief und mich umkreiste, vorlief, zurückkehrte, von hinten auf mich zu lief. Ein sehr schneller, kräftiger und beweglicher Hund. Da ich mir nicht ganz sicher war, inwieweit dies nur ein Spiel ist, sorgte ich dafür, ihn nie im Rücken zu haben. Die Stöcke zwar nicht in Angriffshaltung, aber so in der Hand, daß ich mich auch hätte verteidigen können. Nachdem wir so, ich mich immer um mich selbst beim Gehen drehend ein gutes Stück weit gegangen waren, schienen wir seine Grenze überschritten zu haben und er kehrte zu dem Hof zurück. Und ich setzte meine Wanderung eilenden Schrittes fort.Und auch dabei habe ich mich nicht unsicher gefühlt, solange ich ihn sah.

Und ich habe mich nicht alleine gefühlt.

Wenn jemand genauere Streckeninformationen haben möchte, so kann er sich gerne nach meiner Rückkehr an mich wenden, ich zeichne den gesamten Weg auf Tracks auf (bei denen man auch sieht, wo es nicht weiterging...). Diese würde ich nach Aufbereitung auch zur Verfügung stellen.

Morgen Nachmittag kommt Ute angereist um mich ein Stück zu begleiten. Sie bringt mir die anderen Wanderschuhe, einen wärmeren Schlafsack und allerlei Kleinigkeiten mit, die auszutauschen sind. Ich freue mich sehr, mal wieder mit einem Menschen wirklich richtig sprechen zu können. Auf die Dauer fehlt das einfach. Womit wir auch bei meinen Plänen sind: Der Plan, in die italienischen Berge mit Ziege und Esel in eine Hütte zu ziehen ist ad acta gelegt. So sehr mich diese Idee begeistert hat (Als krasser Gegensatz zu meinem ständigen Reden und Zuhören), so merke ich doch sehr deutlich, wie sehr mir nach Austausch und Kontakt dürstet.

Dass Geiz und Gier hochgejubelt und in der Werbung als Tugenden verkauft werden,, ist eine Seite. Die Abwertung freundlicher und altruistischer Wesensarten findet auf perfide Art in dem Begriff „Gutmensch“ seinen Ausdruck. Der Begriff wird so eingesetzt, daß man dies ja nicht sein will.

Es gibt Menschen, die mir versuchten beizubringen, daß „Nett“ eine Schwäche sei. Ich war tatsächlich über einen sehr langen Zeitraum verunsichert und habe mich sehr hinterfragt, inwieweit ich selber freundlich und nett nur aus einer Schwäche heraus bin. Heute sage ich aus tiefer innerer Überzeugung, daß rücksichtsvolles Verhalten, das Einbeziehen des Wohlergehens Anderer in eigene Entscheidungen, eine freundliche Grundhaltung, Nachsicht, dem Anderen immer am ehesten eine positive Absicht zu unterstellen, Grundwerte sind, die wir dringend brauchen, damit mehr Frieden Raum finden kann. Alles andere ist nur eine Zerstörung, erst des Anderen und damit auch von mir selber.

Damit fängt der Frieden bei jedem Einzelnen an. 

23.08.13 - Porrentruy - Ruhetag

Heute mache ich Pause und erwarte meine liebe Frau.

Den Tag habe ich mit dem Waschen von Wäsche begonnen. Leider gibt es auf dem Campingplatz keine Waschmaschine und in der Stadt keinen Waschsalon. So habe ich mich eine Stunde hingestellt (in aller Frühe, da ich eben mittlerweile auf 6 Uhr eingespielt bin) und habe mal alles durchgewaschen, da es ein heisser Tag werden soll, dürfte es auch mit dem Trocknen kein Problem geben.

Jetzt sitze ich in einem Café mit WLAN, so kann ich mal in Ruhe im Internet surfen, die weitere Reise genauer planen und meine Homepage überarbeiten. (Zumindest solange der Akku mitspielt.

Jetzt habe ich im Vorfeld ein halbes Jahr intensiv Italienisch gelernt, aber seit meinem Aufbruch liegt auch das brach. Da werde ich auch heute drangehen.

Diese Stadt besitzt eine schöne Altstadt. Auch die werde ich mir in Ruhe besehen.

Es ist ja nicht so, als könne ich nur marschieren und mich in Askese üben. Ich bin auch Genuss und einem beschaulichen Herangehen nicht abgeneigt.

Alles zu seiner Zeit.

Und ich merke, wie wenig ich brauche um zufrieden zu sein.

Einfach gehen, Da-Sein, gucken, hören, riechen, spüren. Zeit haben. Darüber verliert auch das Essen an Bedeutung.

Ich wache morgens in der Regel vor 6Uhr auf, packe meine Sachen und bin dann ab spätestens 7Uhr unterwegs. Es ist jeden Morgen ein besonderer Genuss. Es ist zwar noch kühl (gestern so, dass ich gewünscht hätte, ich hätte Handschuhe gehabt) und der Morgen hat einen ganz besonderen Reiz. Es ist als sei die Welt noch unberührt. Die ersten Sonnenstrahlen küssen die Wiesen und Felder, Bäume , alles was da ist.

Auch ich fühle mich jeden Morgen von der aufgehenden Sonne geküsst. Und ich weiß, der Tag liebt mich.

Ich habe endlich mal gerechnet, wie weit ich eigentlich bisher gegangen bin: In Deutschland waren es 617 Kilometer, in Frankreich 306. Das heißt, beim Grenzübergang in die Schweiz lag ich bei 923 Kilometern. Das ist etwas mehr, als ich vorab gerechnet hatte. 

(Wenn jetzt jemand die bisherigen Kilometerangaben zusammenzählt und zu einem anderen Ergebnis kommt, so liegt es daran, daß sich in einer ersten Überarbeitung der Tracks leichtgradige Veränderungen ergaben.)

In der Schweiz werden es ca. 300 Kilometer werden und in Italien etwa 1100. Das heißt, der Weg wird doch etwas länger als ich vorher gedacht habe. In Italien wird es mit der Anzahl auch wirklich stimmen, da die dortige Strecke tatsächlich ermittelte GPS-Kilometer sind.

24.08.13 - 20,4 Kilometer - St. Ursanne

Jetzt gehen wir zu zweit. Der Tag begann mit einer Frühstückseinladung auf dem Campingplatz. Mit einem guten Kaffee und vielen guten Wünschen machten wir uns auf den Weg. Kaum hatten wir Porrentruy verlassen, bekamen wir die Gelegenheit unsere neuen Regenponchos auszuprobieren. Diese Gelegenheit nahm kein rechtes Ende, so erstiegen wir die Berge, auf knapp 900 Metern riss die Wolkendecke auf und erlaubte uns einen wunderbaren Blick auf ein herrliches Wolkenschauspiel und die Ajoie. Zur Trocknung der Capes, die ihren Dienst im Übrigen wunderbar erfüllten, flatterten wir wie große grüne Waldgeister durch die grüne Wildniss. So ähnlich wie im Regenwald. Ein Fuchs floh als er uns gesichtet, dabei waren wir überaus freundlich gesonnen.Der Abstieg in das Tal des Doubs war dann trocken. Der Regen war das eine Hindernis des Tages, das Zweite war eine erhebliche Gewichtszunahme des Rucksackes. Ute hat den wärmeren Schlafsack (der leider auch 1,5 Kilo mehr wiegt), die Karten und das Buch für die italienische Strecke und eine größere Menge an Energieträgern mitgebracht. Dazu hatte ich selber gerade erst einiges an Nüssen erworben um bessere Notrationen zu haben. Nun, alles in allem waren es so mit einem Mal etwa 4 Kilo mehr an Gewicht. Das war zu viel. Auf der Mitte der Strecke haben wir dann erstmal ein Kilo an Flüssigkeit vernichtet (getrunken) und einige Energieträger verinnerlicht, Ute hat dann noch einiges an Vorräten genommen was es dann erträglicher machte (und im Abstieg ist es mit dem Gewicht nicht ganz zu wild wie bei einer Strecke bergan).Und die Erkenntnis lautet: Überfluss ist nur Belastung.

25.08.13 - 9Uhr40 - noch in St.Ursanne

Es regnet in Strömen. Die Satellitenbilder sagen noch eine Stunde, Niederschlags-radar sagt noch den ganzen Tag. Zwischendurch wird der Regen mal schwächer und läßt auf ein Ende hoffen, dann kommt wieder ein neuer heftiger Regenschauer. (Hab ich nicht irgenwo gelesen, die sei eine sehr trockene Region? Mir tut es für Ute sehr leid, da dies ihre Ferienwoche ist. Und jetzt sitzt sie mit mir im Regen unter dem Vordach des Campingplatz-Cafés. Die ganze Zeit war so ein herrliches Wetter. Und jetzt so etwas. Das hätte ruhig noch eine Woche warten können.

Soweit es im Regen zu sichten ist, ist dies ein sehr schönes Tal. Gestern Abend haben wir noch unter einer Brücke am Fluss gesessen, der sehr ruhig daherfloss, haben manchmal einen Blick auf die Fledermäuse bei ihrem Flug über die Wasseroberfläche erhaschen können oder das kurze Platschen eines auftauchenden Fisches gehört und die sich verbreiternden Wellen betrachtet. Im Spiegel des Flusses sahen wir zu, wie der Dunst den Berg herabschwebte. Ein sehr ruhiges und idyllisches Bild.

Jetzt hoffen wir, daß der Regen mal abschwächt und wir weiter wandern können. Wobei das nächste Zwischenziel auch nicht so ewig weit entfernt ist und der Weg direkt am Fluss entlang geht und damit auch keine besondere körperliche Anstrengung verbunden ist.

25.08.13 - 17.2 Kilometer - Soubey

Und es wurde noch ein wunderschöner Tag. Nachdem der Regen geendet hatte, es war gegen 11 Uhr wanderten wir los. es ging immer den Doubs entlang, Dieses ist ein nicht ganz kleiner Fluss, der sich in dem Tal schlängelt, mal ruhiger und mal reissender ist. Der Weg ging meist einen kleinen Pfad relativ dicht am Fluss entlang, mal über kleine Feldwege, mal über Kuhweiden. Es wurde vor dem Stier gewarnt, dem wir aber nicht begegnet sind. Dafür haben wir einen Eisvogel gesehen, Kraniche und Esel. Und Utes Wunsch, daß wir im nächsten Ort Möhren kaufen, damit wir bei einer erneuten Eselbegegnung diesem etwas geben könnten, erfüllte sich auf wunderbare Art und Weise, daß wir auf einer Wiese verstreute Möhren, Gurke und eine kaputte Melone fanden, die offensichtlich jemand verloren hatte. Uns war es ein Geschenk, die Möhren mitzunehmen. Ein Esel bekam sie dann zwar nicht, aber ein paar neugierige Ziegen. Wir schlugen unser Zelt auf einem Campingplatz, der die Wiese eines Hofes war auf und gingen in dem unauffälligen Restaurant des Orte „Hotel du Cerl“ essen. Was uns dort geboten wurde übertraf alle Erwartungen. Ein köstliches Abendmal. 

26.08.13 - 26,5 Kilometer - Bei einee Waldhütte bei Les Breuleux

Heute sind wir sehr zeitig aufgestanden, um mal ein bisschen weiter voran zu kommen. Wir folgten weiter dem Trans Swiss Alp. Er führte uns steil bergauf durch eine verwunschen anmutende Urwaldlandschaft. gut 500 Meter stiegen wir so noch vor dem Frühstück bergauf und landeten in einer fast lieblich erschienenden Landschaft, mit großen Wiesen auf denen einzelne hohe Bäume stehen, der Weg führte über die Weiden von Kühen und Pferden. Dabei viele Kälber und Fohlen. Und das alles auf einer Höhe von gut 1000 Metern. Der Wanderweg Trans-Swiss-Alp hält, was er verspricht: sehr viel Abwechslung an beeindruckenden Landschaften und immer wieder neu Perspektiven.Einziger Mangel besteht jetzt an Campingplätzen. So wählten wir uns als Ziel eine unbewirtschaftete Hütte, da wir damit in der Vergangenheit schon ganzgute Erfahrung gemacht hatten und die eine, die wir bereits am Weg sahen, eine gute Notunterkunft darstellte. Leider sah die Hütte an unserem Ziel anders aus. Eine offene Hütte, mit einem Tisch und zwei Bänken, durch einen Zaum vor Kühen und Pferden geschützt. Die Hütte steht hier zemlich frei und er Boden innerhalb der Umzäunung ist relativ uneben. (Außerhalb der Umzäunung würde ich kein Zelt aufstellen, da ich Sorge hätte von oben genannten Tieren geweckt zu werden. Dazu das Problem, daß hier noch ein paar Menschen vorbeijoggten. Alles andere ist zu weit weg, deshalb werden wir hier notdürftig unser Zelt aufschlagen. Auch der Wasservorrat, den wir haben ist höchst unzureichend, da wir, wie bei solchen Hütten sonst meist üblich eine Wasserquelle besteht.Nu, verdursten werden wir sicherlich nicht. Aber der Durst ist am Größten, wenn Mangel besteht. 

27.08.13 - 23,9 Kilometer - Chaux-de-Fonds

Die Nacht habe wir auch mit wenig Wasser gut überstanden. Der Weg ging weiter über einen sehr lichten Wald, nach etwa drei Stunden waren wir oberhalb von St.Imier, dort gab es an einer Hütte nicht nur die ersehnte Toilette, sondern auch einen Kühlschrank, in dem zahlreiche Getränke zu kaufen waren. Dies erschien uns wie ein Geschenk des Himmels, da wir uns , nun gut mit Wasser ausgestattet, auch den Abstieg nach St. Imier ersparen konnten. Eigentlich hatte ich geplant, den Trans Swiss Alp weiter zu gehen bis zur Kreuzung mit dem Jura Höhensteig. Bei näherer Betrachtung und unter dem Aspekt, daß an der Strecke keine weiteren Campingplätze mehr lagen, entschieden wir, auf dem bis nach Chaux-de-Fonds weiter zu gehen. So konnten wir auf der Höhe bleiben und ersparten uns Ab- und Aufstieg. Auf dem Weg wurden wir von einem heftigen und andauernden Regenguß erwischt. Dank unserer Regencapes wanderten wir erst noch eine Weile an sich unterstellenden Reitern und Radfahrern vorbei, bis wir uns dann auch einen Unterstand suchten um eine Pause zu machen. Anschließend gingen wir trocken bis nach Chaux-de-Fonds. Ein gutes Stück vor der Stadt gesellte sich ein Hund zu uns, der uns über eine Wiese nach der anderen, ein Tor nach dem Anderen begleitete. Ich bekam schon Sorgen, daß er uns nicht mehr von der Seite weichen würde, Da kam uns aus der Stadt ein Wanderer entgegen, mit dem wir uns freundlich unterhielten. Er ging in die Gegenrichtung und lockte dann den Hund, daß er wieder mit in die andere Richtung ging. Auf dem Campingplatz gab es zu unserer Freude auch eine Waschmaschine und einen Trockner, so wurde die Wäsche endlich mal wieder sauber und trocken. Vor allem Trocken! Leider konnten die Schuhe nicht mit in den Trockner. Meine Füße sind jetzt seit drei Tagen dauernaß. Das ist kein angenehmer Zustand. Wir waren dann noch einkaufen, unter anderem haben wir meinen Sockenvorrat deutlich erhöht, damit ich wenigstens oft die Socken wechseln und die Nassen zum Trocknen an meinen Rucksack hängen kann. 

28.08.13 - 23,8 Kilometer - Auf dem Kamm bei Noiraigue

Heute haben wir mit einem weiteren Anstieg auf 1300 Meter den Tag begonnen, Jetzt rauf auf den Jura-Höhensteig. Der Anstieg war zum Teil Abenteuerlich über eine ewig lange Treppe durch den Dschungelartigen Wald. Oben angelangt wollten wir einen Kaffee in einem Gasthaus trinken. Es war eigentlich noch geschlossen (was uns hier sehr häufig widerfährt), wir durften uns aber auf die Hotelterrasse setzen und bekamen trotzdem schon einen. Anschließend setzten wir unsere Wanderung auf dem Höhenkamm fort und erklommen weitere Höhen. Wunderbare Aussichten, ein imposantes Wolkenschauspiel mit zum Teil sehr dunkel und bedrohlich aussehenden Wolken. Wir blieben vom Regen verschont. Bis wir uns dann mangels erreichbarer Campingplätze und Unterkünfte unser Zelt auf dem Kamm aufschlagen wollten. Ein leichter Regen setzte ein. Wir errichteten erstmal ein kleines Notlager unter unseren vielseitigen Regencapes und bauten dann unser Zelt auf, in das wir uns bei anhaltendem Tröpfeln dann auch bald zurückzogen.

Wir haben in den letzten Tagen so viele unterschiedliche und dabei sehr schöne und eindrucksvolle Gegenden gesehen, so vielen Tieren sind wir begegnet. Da der Weg immer direkt über die Weiden geht, war der Kontakt zu den Pferden, Kühen und Schafen auch noch dichter als sonst. Da hat sich auch mal das Eine oder Andere in den Weg gestellt und hat uns neugierig betrachtet.

Was ist die Welt doch schön, es ist ein wunderbares Geschenk, in so einer Welt leben zu dürfen. Und je mehr ich sehe, desto wichtiger erscheinen mir alle Bemühungen die Schöpfung zu bewahren. Wie furchtbar wäre es, wenn es all diese Vielfalt nicht mehr gäbe. Und sie wird schon ständig reduziert. Zu Hause, in meinen vier Wänden sitzend weiß ich das, aber ich erlebe diese Vielfalt nicht so unmittelbar und ich erlebe die ungemeine Schönheit nicht so unmittelbar. So gehe ich staunend hindurch und entdecke ständig Neues. 

29.08.13 - 33,6 Kilometer - Grandson (Anstieg 1012 Meter; Abstieg 1770 Meter)

Die Nacht im Wald, nahe am Abgrund auf 1200 Meter war windig. Und wir begannen den Tag mit einem Abstieg von über 500 Metern, um gleich darauf einen Anstieg um 700 Meter zum Creux du Van, dem Grand Canyon der Schweiz. Ein wunderbares Naturkunstwerk. Auf dem Weg nach oben waren wahre Scharen von Wanderern unterwegs. ganze Schulklassen erklommen mit uns die Höhe. Nach einem Picknick am Klippenrand folgten wir weiter dem Jura Höhensteig. relativ diesmal auch häufiger auf Asphaltwegen. In La Combax nahmen wir um fünf ein kleines Abendessen und 2 Alster zu uns und überlegten uns alsbald einen Platz zum Zelten zu suchen. Wir verliessen den Höhensteig um relativ direkt nach Yverdon-Les-Bains abzusteigen, da Ute von dort am Samstag abreisen wird. Als wir so dynamisch und beschwingt vorwärts schritten, erblickten wir den See. Wir malten uns aus, wie nett es wäre, wenn wir am Abend am See sitzen könnten. Und dann war es geschehen. Wir erhöhten um ein weiteres unser Tempo und marschierten Zielstrebig und schnell nach unten. 3 Stunden dauerte der Abstieg. Und wir kamen so am See an, daß wir unser Zelt im Licht der Taschenlampe einräumten. Aber wir hatten das Ziel erreicht. Am See konnten wir dann noch einen wunderbaren Sternenhimmel sehen. Sogar Sternschnuppen gab es. Und das Resumee: Alster verleiht Flügel.

30.08.13 - 8,4 Kilometer - Yverdon-Les-Bains

Da wir unser nahes Ziel schon kannten, sind wir geruhsam aufgestanden, haben erst alles etwas trocknen lassen, Kaffee getrunken, ehe wir uns auf den Weg nach Yverdon-Les-Bains gemacht haben. Ein schöner Weg den See entlang, Es gab sogar nochmal schmale Pfade durch den mit Schilf durchsetzten Wald, bis wir dann in Yverdon-Les-Bains ankamen, hier im See badeten und so unseren letzten gemeinsamen Tag verbringen.Am Bahnhof habe ich die Eintrittsstelle in die Via Francigena gefunden. Damit habe ich den Pilgerweg gefunden, der mich bis nach Rom führen wird. Und damit, daß ich hier auch mein erstes Pilgerbuch mit Stempeln voll habe endet hier eine weitere Etappe. Wobei ich den eigentlichen Übergang auf dem großen St. Bernhard sehe. Es gibt jetzt also mehrere kleine Übergänge in die letzte große Etappe.

Auf dem Weg ist mir immer wieder aufgefallen, wieviel Nachhaltigkeit in Schweizer Projekten steckt. Ob es nun die große Sonnenenergie - Testanlage war, an der wir vorbei gegangen sind, die Windräder oder die vielen Naturschutzzonen. Es steckt viel an Werterhalt in den Maßnahmen.

Was mich hier in der Schweiz immer wieder gestört hat, sind die zahlreichen Militäranlagen, die Schusszonen und das täglich mehrfache Heulen von Jagdflugzeugen in der Luft. Es hat bei mir nicht den Eindruck einer wehrhaften, sondern vielmehr einer kriegerischen Nation geweckt.

31.08.13 - 28 Kilometer - Romainmotier

Heute ist Ute wieder abgefahren. Wir haben uns noch einen schönen Vormittag gemacht, waren als erstes im See schwimmen, haben in der Stadt noch einen Kaffee getrunken, wobei wir einem Klavierspieler zuhören konnten, der an einer Art Kran in der Luft senkrecht hängend an seinem Flügel spielte. Sowohl musikalisch als auch optisch ein Kunstwerk. Kurz nach 12 fuhr Utes Zug und die sehr schöne und bereichernde gemeinsame Wanderzeit nahm sein Ende. Ich machte mich dann auf und ging auf der Via Francigena los in Richtung Lausanne. Die Sonne schien, es wurde wieder richtig heiß und ich wanderte durch eine von Landwirtschaft geprägte leicht hügelige Landschaft. Und ich sah endlich mal Gleitschirmflieger, gleich drei schwebten in der Ferne am Himmel. Das Fliegen ist doch das, was ich am meisten vermisse und oft blicke ich von den Bergen herunter und stelle mir vor herunterzufliegen oder ich blicke in die Höhe und stelle mir vor, wie gut es sich gerade fliegen liesse. Ich habe sogar meine Lizenzen mitgenommen, damit ich in dem unwahrscheinlichen Fall, daß es mal geht, mir einen Schirm ausleihen und in den Himmel aufbrechen kann.

Gegen Abend erreichte ich Romainmotier. Der Karte konnte ich entnehmen, daß es dort eine Abtei gibt, also wollte ich sehen, ob ich dort auch einen Stempel in mein Pilgerbuch bekomme. Ich kam gerade kurz vor einer Gebetsstunde dort an und wurde zur Teilnahme eingeladen. Dies war schon ein besonderes Erlebnis. Es waren 12 Menschen und die Gebetsstunde bestand zum allergrößten Teil aus Gesang. Ich konnte zwar kein Wort verstehen, doch es beinhaltete viel Dankbarkeit, Freude und Lobpreisung (vielleicht habe ich es auch nur hineininterpretiert). So gut ich konnte, habe ich mitgesummt.

Auf dem anschließenden Weg durch den Wald zum Campingplatz schreckte ich eine große Eule auf, die davonschwebte.

An der Stelle möchte ich auf eine noch nicht erwähnte Grundregel auf meiner Pilgerschaft hinweisen. Sie lautet: Sag zu jedem freundlichen Angebot JA.

Dank dieser Grundregel habe ich auf dieser Pilgerwanderung schon viele schöne Erlebnisse gehabt, die ich normalweise aus unterschiedlichsten Gründen abgelehnt und mir damit hätte entgehen lassen. Meist sind es unbegründete Zweifel, Selbstunsicherheit oder Bescheidenheit die mich in der Vergangenheit häufig Angebote haben ablehnen lassen. Womit ich mir und dem, der das Angebot machte eine Gelegenheit der Begegnung genommen habe. Es sind die Dinge, die wir nicht getan haben, die wir bereuen.

Ich will nichts bereuen müssen und so sage ich JA!  

Alles was ich sehe, alles was ich erlebe macht mich glücklich. Was ist das Leben schön!

Jetzt sausen noch die Fledermäuse um mein Zelt und wegen der Dunkelheit werde ich auch den Tag bald beenden. Die Tage sind schon merklich kürzer geworden. 

1.09.13 - 39,5 Kilometer - Lausanne

Es zeichnete sich von vornherein ab, daß der Weg nach Lausanne auch etwas länger würde, so starte ich mit dem ersten Morgengrauen. Mein eilender Schritt wurde dann in dem Naturschutzgebiet unterbrochen daß ich durchschritt, da auf dm Weg zwei wilde Gemsen standen. Sie standen und ich stand. Sie achteten genau darauf, ob ich eine Bewegung machen würde, so verharrte ich, ganz vorsichtig zog ich meinen Fotoapparat aus der Tasche und versuchte aus dem Hüftgelenk Fotos zu schiessen, die aber alle leider nicht so wirklich scharf geworden sind. Beim weiteren Marsch gab es mit einem Mal ein heftiges Rascheln im Laub, es war zu hören, daß es sich um ein größeres Tier handeln muß, Ich sah dann zum ersten Mal ein Wildschwein, welches den Hang herauf die Flucht ergriff.

Der weitere Weg verlief erst wieder durch Felder, Wälder durch eine hügelige Landschaft, dann auf einem schmalen Pfad einen Fluss entlang, bis ich dann am Genfer See ankam. Und hier "tobt der Bär" viele, viele und noch mehr Menschen, ich höre die unterschiedlichsten Sprachen. Bloß die wenigsten Menschen nehmen Blickkontakt auf, geschweige denn man würde gegrüsst. Das, was ich auf dem Weg sonst so sehr schätze, daß überall die Menschen einen Ansehen, Nicken, Grüssen, passiert hier, in der großen, anonymen Stadt nicht (nun, in Bielefeld auf der Strasse grüßt man ja auch niemanden. Die Menschen laufen einander vorbei Dabei ist ein schlichter Gruß etwas aufmunterndes, mit Freude erfüllendes. Es läßt mich lächeln.

Heute habe ich mal wieder auf einen Einheimischen gehört, wo der Weg verlaufen soll und bin wieder glatt in der falschen Richtung gelandet, wobei wir wieder bei dem früheren Thema sind: Traue dem Rat eines Einheimischen nicht. Fälle erst ein eigenes Urteil.

Ach ja, alter Therapeutenspruch: "Jeder Ratschlag ist ein Schlag". Und wer wird schon gerne geschlagen? Und welcher Schlag kommt dann so an, daß er eine Veränderung bewirkt?

So sitze ich hier am See, blicke auf die Alpen und mir fällt dabei die anstehende Alpenüberquerung ein. Also: Ich überquere "die Alpen" nicht. Ich habe die Zentralalpen geschickt umgangen und muß "nur" über den großen St. Bernhard. Ich nehme den alten Pilgerweg Via Fransigen" der auch nur dort verlief, weil da schon so viele drübermarschiert sind, die den einfachsten Weg nach Norden und Nordwesten bzw nach Italien suchten. Wenn ich richtig informiert bin, ist Cäsar mit seinen Armeen dort rübermarschiert, Hannibal, Napoleon sollen auch den Weg genommen haben. Ich denke mir, wo Armeen marschiert sind, werde ich wohl auch gut rüberkommen.

Wobei ich weniger vor dem Aufstieg als vor dem Abstieg die große Achtung habe. Wie auch sonst im Leben geht es mit Kontinuität, Willen und Beharrlichkeit kontinuierlich bergauf. Einfach sicher einen Schritt vor den anderen setzen. Der Abstieg ist da bedeutend schwieriger, man muß vielmehr auf die Balance achten, die Schritte vorsichtig setzen, die Gelenke entlasten, man muß viel besser aufpassen nicht zu stürzen. Abstieg ist eine heikle Angelegenheit.

Um auf das Fliegen zurück zu kommen. Wenn mir da oben jemand einen Gleitschirm anböte, so würde ich ausnahmsweise auf mein stricktes Gehen verzichten ;-) 

2.09.13 - 29,1 Kilometer - La Tour-de-Peils

Der Tag begann in der Frühe mit einem Spaziergang entlang der Promenade, führte weiter über kleinere Wege entlang dem Genfer See. Nach der gestrigen Tour ließ ich es entspannt angehen, machte mehrere Pausen am See mit Kaffeetrinken und Fuß-Kühlung im Wechsel. Dann ging es herauf in die Weinberge, dann nochmal herab zum See und nochmal rauf in die Berge. Die Sonne schien heiß, was am See nichts ausmachte, aber dann auf den Betonpisten in den Bergen nicht mehr so erfreulich war. Dafür war der Ausblick auf den See und die Berge grandios. Der Weg endete dann an einem Zeltplatz, wo ich erstmal ein Bad im See nahm. Und mich dann in die Sonne auf die Terrasse setzte. Sehr chillig.

Und das vorangegangene Thema setzt sich fort: Beim Pilgern wird alles sehr relativ. Die Gedanken verlieren an Schwere und Bedeutung, und eine tiefe Zufriedenheit setzt ein.

3.09.13 - 23 Kilometer - Aigle

Die Nacht verlief sehr unruhig. Tagsüber und auch noch am Abend war der Blick auf den See und dann in den Himmel so erfüllend, daß ich die benachbarte Strasse nicht hörte. Nachts, in der Dunkelheit des Zeltes erschien das Vorbeifahren der Autos sehr laut und nicht endend.

Heute hat sich meine Einstellung der Empfehlungen Einheimischer gegenüber gerächt. Der freundliche Empfehlung des Campingplatzleiters in La Tour-de-Peilz war einen anderen Weg als die Via Francigena nach Aigle zu nehmen. Nach einer schönen Wanderung den See entlang, durch die mondäne Stadt Montreaux, entlang an Freddi Mercurys Denkmal kam ich nach Villeneuve. Und ich entschied mich für die Via Francigena. Kein schöner Weg. Durch Industriegebiete, neben Strassen und Eisenbahn entlang ohne einen Schattenplatz. Auch kein guter Platz für Pausen. So kam ich schon um 14Uhr30 an meinem Zielcampingplatz an und blieb auch da.

Dann kam die wahre Mutprobe: In der französischen Schweiz einen Frisör aufsuchen. (Ich war mir mittlerweile etwas zu Langhaarig geworden). Er war auch erst etwas ratlos, was er denn eigentlich mit mir tun sollte, wir schafften es dann aber in einer Mischung aus Französisch und Italienisch miteinander ins Gespräch zu kommen und mit dem Schnitt war ich auch sehr zufrieden.

4.09.13 - 35,8 Kilometer - Martigny

Heute habe ich mich etwas geeilt. Nachdem ich gestern Abend die Wettervorhersage gelesen habe, bereute ich mein ruhiges Programm, da mir droht, daß ich gerade beim An- und Abstieg auf den Großen St. Bernard in ein gräßliches Regenwetter komme. Schon ab Morgen soll es täglich etwas regnen, aber ab Sonntag soll es richtig schlimm werden. So war schon gestern Abend klar: Ich muß auf jeden Fall nach Martigny kommen. Die Campingplätze werden spärlicher, deshalb geben sie letztlich die Tourenlänge vor, wobei ich nicht weiß, ob ich morgen tatsächlich den nächsten Platz erreichen kann, da dieser zwar "nur" 30 Kilometer entfernt liegt, aber mit einem deutlichen Anstieg verbunden ist.

Ich brach also heute mit dem ersten Morgengrauen auf, wählte diesmal nicht die Via Fransigen, sondern die Strecke an der Rhön entlang. Diese war sehr schön. Und alles lief perfekt: Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich mir vorgenommen hatte, eine Pause zu machen, fand ich mich vor einem gerade seit 5 Minuten geöffnetem Café.

Dort gab es auch einen jungen Hund, der mich freudig anfiel und mein Ohr anschlabberte (sehr zum Entsetzen der Besitzer). Irgendwie scheinen Hunde auf dieser Reise eine Vorliebe für mich zu haben, und das, wo Hunde eher nicht meine Lieblingstiere sind. Ich mag da eher Katzen und Esel, eben die eigensinnigeren Tiere.

Auf dem weiteren Weg erschien ich in einem Ort genau in der einen Stunde, in der das Gemeindebüro geöffnet war und ich dort so meinen Stempel erhalten konnte.

Zum Ende des nächsten angepeilten Streckenabschnitts fand ich einen kleinen Fluss, wo ich meine Füße kühlen und mein Zelt trocknen konnte. Perfekt!

Und entgegen der Voraussage fiel heute kein Tropfen Regen. Es herrschte vielmehr ein erheblicher Bergwind, der mich zusätzlich anschob. Ich kämpfte noch mit mir, ob ich nicht noch weitergehe, jedoch der nächste Campingplatz war arg weit und wegen des, für den Abend angekündigten Regens und der Bebauungsdichte auf den nächsten Kilometern wollte ich auch nicht Wildcampen.

Die Schweiz ist im Übrigen, wen wundert es, unglaublich teuer. Ich bin heilfroh, wenn ich in Italien angekommen bin und damit auch mein Lebensstandard wieder steigen kann. Alleine eine Kugel Eis kostet umgerechnet schon fast 3 Euro. Dafür ist das Leistungswasser ganz hervorragend. Etwas sehr gutes, was kostenlos ist.

Gleichzeitig habe ich noch nie in so kurzer Zeit derart viel Reichtum gesehen. Gerade am Genfer See stehen Villen, von deren Größe ich nicht wüßte, daß es in Bielefeld nur eine gäbe. Nun, es war die Wohnstätte von Größen wie Charley Chaplin und Freddy Mercury, die auch weitere Berühmtheiten angezogen haben. 

Ich bin immer wieder ergriffen von all der Schönheit, die mich auf dem Weg umgibt. Das Tal wird immer enger, die Berge rücken näher, zwischen Obstbäumen liegen meterhohe Steine, als ob ein Riese sie dahingeworfen hätte. Ein Wasserfall, der aus riesiger Höhe herabstürzt und all die Flüsse und Bäche, die sich durch den Wald und die Wiesen schlängeln. Einfach nur schön.

Mein ursprüngliches Thema, was Kinder eigentlich brauchen und was für Veränderungen in unser Umgang mit ihnen erforderlich sind, ist bei mir, wie jeder schon bemerkt hat, deutlich in den Hintergrund gerückt. 

Vielmehr ist meine Wahrnehmung für die Natur und die Schönheit der Welt in den Mittelpunkt gerückt. Heute habe ich Eintragungen in dem Gästebuch einer Kapelle von anderen Pilgern gelesen, in denen ich überall diese Ergriffenheit wiedergefunden habe. Es erscheint mir, als würde ich, so wie auch andere, durch die Langsamkeit, die Reduzierung auf Weniges und das lange Gehen in der Natur in der Wahrnehmung und in der Einstellung verändert.

Ich bin sehr dankbar, daß es all dies gibt und daß ich all dies sehen und erleben darf.

5.09.13 - 35,6 Kilometer - Bourg-St-Pierre (1681m Anstieg; 551m Abstieg)

6.09.13 - Hälfte der Tagesetappe 9Uhr30 - auf einer Wiese im Sonnenschein

Gestern wollte ich nichts mehr schreiben. So hole ich es heute nach. Gestern Abend bin ich zum ersten Mal einem Mitpilger (Alexander) auf dem Weg nach Rom begegnet und so verbrachten wir den Abend mit viel Gespräch, ehe ich, selbst zum Duschen zu müde, in meinem Zelt verschwand.

Der Morgen hatte unerwartet begonnen. Ich war losmarschiert, mit der Vorstellung erstmal 12 Kilometer den Fluss entlang zu gehen (so sah es auf der Karte aus). Ich fand mich stattdessen auf einer höchst anspruchsvollen Strecke mit sehr schmalen Wegen, direkt am Abhang, starkem An- und Abstieg. Zum Teil gab es Ketten zur Sicherung und es gehörte eine deutliche Trittsicherheit und Schwindelfreiheit dazu, diesen Weg zu bewältigen. Und ich hatte extra diesen und nicht den Alternativweg gewählt, der direkt über den Berg ging, da ich dachte im Weiteren noch genügend Anstieg zu haben. Nun, wie mich mein Mitpilger aufklärte: Hätte ich den Reiseführer gelesen, hätte ich es gewußt. Ganz grundsätzlich scheint für die Pilgerwege zu gelten (Ich verallgemeiner das jetzt, da ich ja auch auf der Jakobswegsstrecke an den Vogesen selbiges erfahren habe): Im Zweifelsfall ist es immer der steilste und weiteste Weg von A nach B, der zum Pilgerweg erkoren wurde. Deshalb bilde sich, wer sich nicht quälen will, lieber seine eigene Meinung. Wobei ja auch die Versuchung groß ist, einfach der Beschilderung zu folgen.Da auch auf diesem Weg die Campingplätze rar und mir die drohende Wetterverschlechterung vor Augen war, zog ich, trotz des beschwerlichen Anfangs, zügig weiter herauf. Ich erwägte, mir einfach eine Wiese zum Zelten zu suchen, doch die Aussicht auf ein Bier und eine Dusche zogen mich den doch zu dem Campingplatz. Außerdem war die Aussicht erfreulich, dann heute nur 13 Kilometer Weg und 900 Meter Anstieg zu haben. Das ich dazu noch mit netter Gesellschaft belohnt würde, war dann umso erfreulicher.

Was braucht der Mensch um Motiviert zu sein? Erfolg? Eine so einfache, wie wahre Formel.

Auf dem Weg besuche ich die meisten Kirchen (wenn sie denn offen sind), geniesse die Ruhe und betrachte sie mir ausgiebig. Dabei habe ich angefangen, mir über die Ausgestaltung Gedanken zu machen. Ich sehe, wieviel Arbeit und Detailliebe in vielen Ausgestaltungen der Altäre, Bilder, Fenster steckt. Und ich störe mich daran, daß das Leiden Christis überall im Vordergrund steht. Ja, sein Tod ist ein Zeichen der Liebe Gottes an die Menschen. Aber eigentlich hätte er die Vergebung der Sünden auch ohne den grausamen Tod seines Sohnes umsetzen können. Mir missfällt an der Stelle das Kreuz als passendstes Symbol der Botschaft der Liebe von Jesus Christus. Als Symbol der Liebe ein barbarisches Hinrichtungswerkzeug? Mit dem Altartisch verbinde ich immer den Opfertisch alter Religionen, auf denen Tiere oder Menschen getötet wurden, um damit die unbeherrschbare Natur zu besänftigen. So stehe ich den Symbolen immer mit etwas Distanz gegenüber.

6.09.13 - 13,1 Kilometer - Grand St. Bernhard (Anstieg 1030m: Abstieg 185m)

Auf dem weiteren Weg, diesmal habe ich mich nicht strikt an den Weg gehalten, sondern habe an einer Stelle eine kleine Abkürzung gewählt, sind mir ein Murmeltier und die gefürchtete Schlange begegnet. Beide ergriffen schnell die Flucht. Dann kam ich an eine Stelle, wo der Weg gleichfalls sehr schmal war und es rechts nach oben und links nach unten ging, an der eine Kuh stand. Ein Ausweichen war zwar möglich, aber es war ihr eindeutig zu dicht. So ging sie einen weiten Weg direkt vor mir her, bis dann die Stelle so breit war, daß ich an ihr vorbei konnte, ohne ihr zu nahe zu kommen.

Der Weg wurde dann sehr steil und gerade auf den letzten Metern war ich heilfroh, schon gestern so weit gegangen zu sein und damit relativ fit diesen Anstieg zu bewältigen. So kam ich schon Mittags an meinem Ziel an. es dauerte eine Weile ehe ich im Gästehaus des Klosters eingecheckt wurde. Eine Übernachtung im Mehrbettzimmer. In einem Haus, in dem es von Menschen wimmelt. Das ist für mich, wo ich seit Wochen im Zelt schlafe, ein kleiner Kulturschock. 

Schweiz: 368,9 Kilometer ; Gesamt: 1291,9 (Alles im Kopf gerechnet, deshalb kann es sein, daß es nicht genau stimmt, ich werde es nochmal mit Stift überprüfen.)

Italien - Die letzte Etappe

7.09.13 - 29,6 Kilometer - Aosta

Nachdem es gestern noch sehr nett mit anderen Pilgern und Wanderern wurde, die alle im Hospiz am großen St. Bernhard eingekehrt waren, sind Alexander (mein Mitpilger), Michael, ein schweizer Zivildienstleistender und Anastasia, einer russischen Voluntarin, noch kurz rüber nach Italien gegangen und waren etwas trinken. Mit Michael, der von der Schweiz nach Santiago gepilgert war, hatte ich (auf Englisch) eine sehr angeregte Diskussion über das, was wirklich wesentlich im Leben ist und wie Einen das Pilgern diesen wesentlichen Dingen näher bringt. Das Leben wird beim Pilgern unmittelbarer, dichter, das Gefühl für sich selbst und die Umwelt wird intensiver. 

ICH BIN, DAS LEBEN IST.

Nach dem sehr schönen Abend schlief ich das erste Mal seit einigen Wochen wieder in einem Bett - Alleine in einem Schlafsaal mit 9 Betten. Um 8 Uhr gab es Frühstück, so war auch mein normaler Laufrhythmus unterbrochen. Wir befanden uns in den Wolken. Den Abstieg nach Aosta habe ich gemeinsam mit Alexander (dem Mitpilger, den ich schon vorgestern getroffen hatte) gemacht. Es war sehr schön, mal nicht alleine zu gehen. Unsere Rhythmen waren zwar etwas unterschiedlich, es ist uns aber sehr gut gelungen, uns aufeinander einzustellen und so einen schönen Abstieg mit viel Gesang zu machen. Eigentlich hatte ich schon in Gignod genug und wäre schon dort auf dem Campingplatz geblieben, wenn die Frau in der angrenzenden Bar (welche Versorgungsstation in jeder Hinsicht war) nicht so furchtbar unfreundlich gewesen wäre. Letztlich war ich ihr dankbar, denn die letzten Kilometer nach Aosta waren gut zu bewältigen. Jetzt sitze ich auf einem ziemlich leeren Campingplatz und warte auf den Pizzaservice. Die Atmosphäre in dem Hospitz war sehr getragen von der Hingabe an die Aufgabe, Menschen in der Not zur Seite zu stehen. Und diese Aufgabe dankbar anzunehmen. Nicht für einen Lohn, sondern weil es gut tut, den Mitmenschen Gutes zu tun. Weil Dies alleine eine Erfüllung sein kann. Ganz im Sinne des St. Bernhard, der das Hospiz gegründet und nach dem sowohl der Berg, als auch die Bernhardiner benannt sind.

8.09.13 - 28,8 Kilometer - ein verfallenes Dorf vor Chatillon

Nachts hatte es geregnet und ich lugte um 6 Uhr erst vorsichtig aus dem Zelt, wie den wohl der Himmel aussieht und ob es sich lohnt schon aufzustehen. Und der Himmel sah so gut aus, daß ich sofort alles packte und losging.Ich entschloss mich, erstmal alleine weiter zu wandern, ich machte erst noch einen kleinen Rundgang durch Aosta, trank einen Espresso (jetzt wieder zu einem moderaten Preis), fand sogar zufällig einen offenen Supermarkt, in dem ich mich mit Verpflegung ausstatten konnte und machte mich dann auf ins Ungewisse. Gegen 11 traf ich dann auf H. ein Pilger, den ich schon kurz im Hospiz gesprochen hatte. Wir gingen dann den ganzen Tag gemeinsam. Führten dabei intensive Gespräche über das Pilgern als solches, die Wirkungen, die Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft und wie diese Rolle zum Wohl der Menschen genutzt werden kann und wird. Es gab viele Anregungen und ich komme meiner Planung mit einer Arbeit über die Wirkweise des Pilgerns näher. Von dem Weg und der Umwelt habe ich dabei nicht mehr so viel wahrgenommen, es war mehr ein dauernder Innenblick und „Gedankenpoduktion“. Auf dem weiteren Weg begegneten uns zwei italienische Paare auf einem Spaziergang, von denen eines auch schon in Santiago war. Sie luden uns zu einem Kaffee ein, was wir gerne annahmen. Es war sehr freundlich und ich freute mich, wieviel ich schon auf Italienisch verstehe, selbst wenn H. mit seinem sehr guten Italienisch das Gespräch intensiver führte, konnte ich auch sinnvolle Beiträge liefern. Ich rutsche nur noch immer wieder ins Spanische ab. Es ist ja auch erst der zweite Tag in Italien. Das wird noch.Da H. in einem Hotel übernachten wollte, verabschiedeten wir uns bei einem verfallenen Dorf, welches mir als Zeltplatz geeignet erschien. Als ich es mir genauer betrachtete kamen mir jedoch Zweifel, da ein wirklich guter Platz für das Zelt nicht zu finden war und ich dann noch überlegte, ob es nicht doch sinnvoller wäre, noch weiter zu gehen, evtl auch noch zu einem 8 Kilometer entfernten Campingplatz aufzubrechen.Der Himmel zog zunehmend zu und ich fürchtete, daß es gleich zu regnen anfängt, so beendete ich meinen Entscheidungsfindungsprozess und baute mein Zelt auf. Erst machte ich es mir noch auf einem Stein gemütlich, aß in Ruhe mein Abendessen und überlegte mir, dort sitzend, auch noch zu schreiben. Gerade erhob ich mich, da sah ich ein gutes Stück entfernt auf der Wiese einen Hund. Sofort nahm ich meine Sachen und verzog mich ins Zelt, da ich auf keinen Fall von dem Hund entdeckt werden wollte. So hocke ich jetzt (um 19Uhr) schon im Zelt (etwas zusammengefaltet) und sehe zu, wie ich noch die Zeit bis zum Schlafen verbringen kann, ohne einen Rückenschaden zu kriegen. Jetzt kommt auch der Regen. Also doch alles richtig gemacht.

9.09.13 - 26,3 Kilometer - Verres

Ich wurde früh wach, wie immer. Das Zelt war nicht von Schlangen eingenommen, aber von Weinbergschnecken. Ich war froh, meine Schuhe ins Zelt gestellt zu haben (ich hatte schon den Angriff von wilden Tieren erwartet), nun, so waren es eben die Schnecken, die ich erstmal absammeln mußte, ehe ich das klitschnasse Zelt einpackte und mich wieder auf den Weg machte. Nach einer kurzen Strecke kam ich an ein Haus, an dem mich der Hund, vor dem ich mich gestern versteckt hatte, aggressiv begrüßte. Ich war froh, daß er mich am Abend nicht entdeckt hatte. Der weitere Weg verlief deutlich oberhalb des Tales, das Wetter war traumhaft schön und ich ging den Tag mal wieder entspannt an. Wenn ich alleine unterwegs bin, komme ich doch eher bei mir an, bei den Gedanken an die Dinge, die mir wichtig sind, ich nehme mehr wahr, als wenn ich im Gespräch bin. Es ist, als sei es ein anderer Bewußtseinszustand. Als ich für den Provianteinkauf den Berg herabstieg, kam ich in ein Käsegeschäft, wo die Auswahl extrem eingeschränkt war, da das Geschäft schließt. Als ich dann später meinen Einkauf auspackte, stellt ich fest, daß ich statt 300 Gramm eher ein halbes Kilo an Käse bekommen hatte. Was mich schon sehr freute, da es sich um besonders leckeren und haltbaren Hartkäse handelte. Unterwegs haben mich Schmetterlinge begleitet. Einer flog immer vor mir her, macht dann mal einen Ausflug zur Seite und kehrte dann wieder zu mir zurück. Ich fühlte mich gut begleitet.In einem Ort waren dann sowohl die Beschilderung schlecht, als auch die Beschreibung im Reiseführer nicht aussagekräftig. Ein Einwohner sagte mir, wo ich lang gehen müßte, dem folgte ich, bis ich mit dem GPS feststellte, daß es ein derart großer Umweg wird, daß ich mir lieber eine Abkürzung suchte. Und da es eh nirgendwo mehr Schilder gab, ging ich so auf einem kleinen Waldweg ins Abenteuer, der Weg war sehr schön, stieg nochmal erheblich an, und ich sah mich am Ende weit oben auf einer Wiese. Und... dort stand wieder ein Schild. Der Abstieg war sehr mühsam, ein steil abfallender Schotterweg. Als ich endlich unten angekommen war, eilte ich weiter in Richtung der Jugendherberge, die laut Reiseführer auch über eine Waschmaschine verfügte. Leider gab es die Waschmaschine dann doch nicht, so mußte ich meine mittlerweile doch etwas säuberungsbedürftige Wäsche mit der Hand waschen. Das hat mich nicht so erfreut. Dafür war es dann sehr nett, als sich Alexander per SMS ankündigte, daß er auch diese Herberge erreichen würde.Ich überlege konkreter, wie ich weiter arbeiten will. Die Idee mit der Studie über die Einflüße des Pilgerns auf die seelische Gesamtverfassung nimmt immer konkretere Formen an. Auch die Ideen einer konkreten Tätigkeit nach meiner Rückkehr werden realer. Ich werde ja auch wieder Geld verdienen müssen.

Oft denke ich an die Dinge, die sich zu Hause abspielen und ich denke einerseits, daß es wichtig wäre dort zu sein und weiß auf der anderen Seite, daß es nie einen passenden Zeitpunkt gegeben hätte. Ich bin sehr glücklich, daß mir Ute so sehr den Rücken freihält.

10.09.13 - 22,8 Kilometer - Torre Daniele

Mal wieder auf einem Campingplatz. Das gefällt mir einfach am Besten. Im Zelt, draußen, ungebunden, aber mit Versorgungseinrichtung, Dusche, Strom und Toilette direkt dabei. Und ich muß nicht fürchten entdeckt zu werden. Und der Preis stimmt auch. In der Regel liegen die Kosten um 10 Euro. Das ist gut verträglich.

Heute Morgen sind wir erst zu dritt losgezogen. Andreas, ein Schweizer lief uns bald davon. Andreas mußte seine Hose reparieren lassen und blieb deshalb zurück, so wanderte ich dann alleine weiter. Dabei geriet ich auf die Strecke eines Trials, auf dem lauter Menschen einen Rundwanderweg gingen. Lauter Menschen riefen mir "Bravo" zu, in der Meinung, ich gehöre auch dazu. Das war mir höchst unangenehm. Da die Ausschilderung der Strecke auch mit gelben Pfeilen stattfand und über eine weite Strecke entlang der Via Francigena verlief, kam ich dann bloß zwischenzeitlich von meiner Strecke ab. Der weitere Weg ging durch Weinberge mit Laubengängen. Es war sehr angenehm zu laufen. Ich erreichte dann schon um 14Uhr den Campingplatz, den ich anvisiert hatte und rang mit mir, ob ich noch weitergehen will. Letztlich habe ich mich aber zum Dableiben entschieden. Fast 30 Kilometer reichen. So kann ich etwas Italienisch lernen, mir mal die weitere Strecke ansehen und einfach entspannen. Und mal wieder etwas denken.

Von meinem Ursprünglichen Thema "Was brauchen Kinder" bin ich ziemlich abgekommen. Meine Betrachtungen sind umfassender geworden. Nur auf die Kinder zu sehen ist eine zwar sehr nachhaltige Sichtweise, aber eben keine, die die Welt muterfasst, in der wir leben. Die Lebensbedingungen, die wir speziell in Deutschland haben. Der ungesunde Hamsterradeffekt, dem die Kinder und Jugendlichen ausgesetzt sind, ist ja ein umfassendes Gesellschaftsprogramm mit dem Hauptziel möglichst viel zu konsumieren. Eine Heranzüchtung zu maximalen Konsumenten und zu maximalen Leistungserbringern, da damit der Konsum finanziert wird. Das kann nur krank machen. Diesem dient ja auch die Verkürzung der Schulzeit, die Vorverlegung des Einschulungsalters. Dahinter haben ja keine wohlüberlegten pädagogischen Konzepte gestanden.

Auf meiner Reise habe ich bereits viele Gelegenheiten gehabt, mit den Menschen, die mir begegneten, die Konzepte anderer Länder (insbesondere Frankreichs und der Schweiz) anzuhören. Und ich sehe dort viel mehr das Konzept, daß der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht die "Wirtschaftlichkeit".

Damit sich Menschen (und Kinder) wahrgenommen fühlen, sich wirkungsvoll und kompetent erleben, ist genau hierfür mehr Zeit erforderlich.

Es fühlt sich wie Urlaub an. So früh angekommen, durch den kleinen Ort (ohne Rucksack) schlendern, mit Zeit hier sitzen und schreiben und lesen können. Sehr schön.

11.09.13 - 33,7 Kilometer - Lago di Viverone

Heute morgen ist es mir etwas schwer gefallen aus dem Schlafsack zu kommen. Sonst ist es ein einfaches tun. Bloß heute war es außerhalb doch ordentlich frisch. So mußte ich mich erst überwinden, herauszukommen. Und es soll noch deutlich kühler werden in den nächsten Nächten. Der Morgen war frisch und ich habe es genossen, in den Tag hinein zu laufen. Vor Ivrea zog ich es vor, eine Alternativstrecke zu nehmen, die zwar nochmal etwas rauf ging, dafür aber an zwei Seen vorbeiging. Das Zwischen-stück war nicht ausgeschildert und auch Garmin hatte nichts ordentliches zu bieten, es gab aber einen Trampelpfad und eine rote Markierung, der ich von dem einen zum nächsten See folgte. Dabei kam ich an einem Campingplatz vorbei, der verlassen war. Die Wohnwagen und die üblichen Holzvorbauten standen da noch, aber alles war beschädigt. Die Fenster abhanden oder zerstört. In einer Ecke standen dann einige kaputte Wohnwagen beieinander, daß es fast wie ein Wohnwagenfriedhof wirkte. Nach dem Abstieg von dem zweiten See war es plötzlich flach. Es gab dann zwar nochmal einen geringen Anstieg. Insgesamt ist es flach. Der Weg verlief fast nur noch auf Asphaltwegen. Gegen Ende des Weges konnte ich meine Füße kaum noch heben und es war mehr ein Schlurfen als ein Marschieren. Der Campingplatz liegt an einem See, wo ich als erstes ein Bad nahm und mich dann erfrischt in dem kleinen Ort an den kleinen Hafen setzt. Alles sehr idyllisch. Hier könnte ich es auch ein klein wenig länger aushalten.Unterwegs habe ich mal wieder mein Lieblingsthema gewälzt. Eigentlich habe ich all dem, was schon von anderen geschrieben ist, nichts hinzuzufügen. Es hapert nicht an Erkenntnis. Es hapert an der Umsetzung all dessen, was wir eigentlich schon längst wissen. Es gibt natürlich auch Streitpunkte. So sehe ich die Fähigkeit zum Kompetenzerwerb, zur Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit als sehr wichtige Erziehungsziele an. Vor allem zur Eigenverantwortlichkeit. Ich sehe es geradezu als Gesellschaftserkrankung an, daß die Verantwortung immer bei jemand anderem gesucht wird und wenige sagen können, daß etwas die eigene Entscheidung war. Verantwortungsübernahme kann nur der lernen, der die Möglichkeit dazu bekommt. 

12.09.13 - 42,7 Kilometer - kurz vor Vercelli

13.09.13 - 6Uhr20

Gestern Abend habe ich das Zelt letztlich an einer weithin sichtbaren Stelle aufgestellt, froh, überhaupt noch einen Schlafplatz gefunden zu haben. Ich hatte schon befürchtet, zum ersten Mal in ein Hotel gehen zu müssen. Die letzten 10 Kilometer hatte ich schon geguckt, ob es nicht irgendeine Möglichkeit gibt, wo ich mein Zelt aufschlagen kann. Dann habe ich auch jemand gefragt, ob ich nicht dort mein Zelt hinstellen kann, aber die wollten nicht und haben mich auf Vercelli verwiesen. Das waren aber noch weitere 5 Kilometer und es war klar, daß ich erst kurz nach Sonnenuntergang dort ankommen würde. 

- 13Uhr45 - Mittagspause

Ich komme so recht mit den Aufzeichnungen nicht mehr hinterher.Heute: Ich bin als aufgebrochen, bin nach Vercelli gelaufen, eine relativ großen Stadt (40.000 Einwohner) und habe mich als erstes auf die Suche nach einem Geschäft gemacht, in dem ich neue Wanderschuhe bekommen kann, da bei meinen sowohl das Profil abgelaufen, als auch das Leder an der Seite gerissen war (bestimmt wegen des häufigen Wechselspiels zwischen Nass und Heiß). In der Information erfuhr ich dann, daß es ein großes Sportgeschäft im Centro Commercial gebe (an der Einfallstrasse, wo ich 1 Stunde vorher vorbeigalaufen war. In der Stadt gäbe es sowas nicht. Ich habe dann kurzerhand ein Taxi genommen um dahin zurückzukehren, erwarb ein paar Wanderschuhe (leider nur mässiger Qualität, ich hoffe sie halten bis Rom) und erabschiedete mich von meinen Alten, die mir doch lange gut gedient haben. Dann lief ich erneut nach Vercelli ein, sah mir noch die Kathedrale an und machte mich auf die weitere Wanderung in der heißen Mittagshitze. Jetzt trockne ich erst noch mein Zelt, welches heute morgen klitschnass war, werde die überaus haarigen Raupen von meinen Sachen vertreiben und dann sehen, wo ich den heute lande.Gestern: Gestern früh bin ich erst ein Stück die Schnellstraße entlanggewandert, ehe ich wieder auf die Via Francigena stieß. (habe ich eigentlich bereits erwähnt, daß die Via Francigena entgegen allen Literaturhinweisen hervorragend ausgeschildert ist. Laut den Hinweistafeln ist sie zum europäischen Kulturweg ernannt. Ich nehme an, daß ein ordentlicher Betrag geflossen ist, um dies Beschilderung umzusetzen. Man braucht eigentlich keine Karte und kein Buch mehr. Auch an wichtigen Gebäuden am Weg stehen Hinweis und Erklärungstafeln. Der Weg ist auch an einzelnen Stellen verlegt worden. Entgegen meiner Karte läuft der Weg noch seltener an Strassen.)Es ging dann ganz beschaulich weiter, eine leicht hügelige Landschaft, Bäume, Äcker und Büsche wechselten sich ab. Und dann kamen die angekündigten Reisfelder. Man blickt Kilometerweit über die Felder hinweg. Dazwischen sind kleine Bewässerungskanäle, in die beim Vorbeigehen lauter Frösche hüpfen. Ein nicht endendes Platschen.Später sah ich dann mehrere Froschfänger, die mit Angeln die Frösche aufspießten und in ihre Beutel füllten. Kein schöner Anblick. Wegen der sehr geraden und auch etwas langweiligen Strecke, bei der ich garnicht das Gefühl hatte einem Ort näher zu kommen...Gerade kam ein Mann mit Hunden vorbeigeradelt und einer hat mein Zelt markiert. So ein Scheiß. Mein Zuhause besudelt. Ich mußte erstmal zur Reinigung schreiten....komme ich insgesamt sehr schnell vorwärts. Ein gleichmäßiges Traben.Durch mein Errechnen meines voraussichtlichen Ankunftstermins in Rom und die anschließende Diskussion mit Ute über die Rückkehrmodalitäten, ist Bielefeld in meinen Gedanken mit einem Mal wieder sehr nah gerückt. Ich habe über die Rückfahrt nachgedacht. Das hat sich dann heute Fortgesetzt, indem ich anfing, über verschiedene Projekte nachzudenken, die anstehen, sobald ich zurückgekehrt bin. Auch meine Gedanken daran wurden wegen der eher monotonen Landschaft nicht gestört.

13.09.13 - 30,1 Kilometer - Robbio

Nun, was ich gestern erfolgreich vermieden habe, heute war es dann soweit. Ich bin in ein Hotel gegangen. In dieser Gegend gibt es einfach keine Möglichkeiten zu zelten. Und für Morgen sieht es auch nicht gut aus. Dafür gibt es in Padua einen Campingplatz. Und es gibt hier ein echtes Bett, nicht nur so ein Stockbett, in dem ich mit dem Schlafsack schlafe, sondern ein echtes Bett. Das ist schon gut. Eine richtige Dusche, das war auch schon ein besonderer Genuss. Ich fühle mich mal wieder so richtig sauber. Da ich noch saubere Wechselsachen hatte, war es natürlich ein doppelter Genuss. Schon schön! Ich sehe es als Geschenk. 

14.09.13 - der 55. Pilgertag - 32 Kilometer - Tromello

Ein Tag voll von unterschiedlichsten Eindrücken. Nach einer Nacht mit tiefem Schlaf (aber auch dort bin ich einmal wach geworden), bin ich wie immer aufgestanden. Das Packen ging nur erheblich schneller und bin um 7Uhr aufgebrochen. Betten werden im Übrigen völlig überschätzt. Meine Luftmatratze ist mir genauso lieb. Im ersten Ort, Nicorvo, trank ich einen Espresso in einer kleinen Bar, wo man im Übrigen auch übernachten kann (wär dies schon im Reiseführer gewesen, so wär ich wohl bis dort gegangen), und habe ein nettes Gespräch mit der Wirtin geführt, die mir über die große Arbeitslosigkeit in Italien erzählt hat und über den Umstand, daß die italienische Industrie in den Osten abwandert. Ich habe in dem Zusammenhang überlegt, wie ungünstig bei uns Arbeit verteilt ist. Wer Arbeit hat, arbeitet sehr viel und auf der anderen Seite gibt es all die, die keine Arbeit haben oder aus unterschiedlichen Gründen zum Arbeiten nicht in der Lage sind. Bei uns macht sich auch die Abwanderung von Industrie ins Ausland mit dem Wegfall vieler Arbeitsstellen für gering Qualifizierte sehr bemerkbar. Auf meiner weiteren Wanderungen durch die wieder abwechslungsreichere Landschaft mit den großen Höfen, die zum Teil wie Trutzburgen wirken, sind mir heute besonders die vielen großen, fliegenden Heuschrecken aufgefallen. Der flachen Landschaft kann ich auch mittlerweile etwas abgewinnen, insbesondere daß der Himmel so weit ist. Ich kann den ganzen südlichen Alpenrand sehen, bis ich weiß nicht wie weit. Auf jeden Fall sehr weit.In die Kirchen auf dem Weg bin ich heute nicht gekommen, diesmal nicht, weil sie geschlossen waren, sondern wegen 2 Hochzeiten und einem Todesfall. Irgendwo im Nirgendwo stand ich vor einer geschlossenen Schranke an einem Bahngleis. Etwas entfernt sah ich auf der anderen Seite eine junge Frau sitzen. Erst habe ich gewartet, wie man das so vor geschlossenen Schranken macht, dann rief ich herüber, ob den wohl die Schranke immer zu sei. Da die Frau mich nicht verstand, kam sie zur Schranke, kletterte auf ihrer Seite drunterher, woraufhin ich ihr zu verstehen gab, daß meine Frage damit beantwortet sei. Ich ging dann auch um die Schranke herum, sah dann aber gerade, als ich die Gleise überquerte, doch in der Ferne einen Zug herankommen. Zum Glück war ich rechtzeitig auf der anderen Seite.Ich hatte mir zuerst überlegt, nach Tromello noch 5 Kilometer weiterzugehen, um Morgen etwas mehr Zeit in Pavia zu haben (wo es endlich wieder einen Campingplatz gibt), da wurde ich schon am Ortseingang von einem freundlichen Mann, dem „Pilgerbeauftragten“ abgefangen, der mir anbot in der kirchlichen Unterkunft gratis zu übernachten. Als ich dann erfuhr, daß zwei italienische Pilger, die ich schon vorher 2x getroffen hatte, auch schon da waren, habe ich das Angebot gerne angenommen. Den Abend verbrachte ich dann mit den beiden Italienern, die sich als Senioren herausstellten und dem „Pilgerbeauftragten“ der auch zu den Senioren gehörte, in der zugehörigen Bar und wir haben uns gut unterhalten. Ich habe natürlich immer noch große Schwierigkeiten die passenden Worte zu finden, aber es geht doch immer besser. 

15.09.13 - 33,3 Kilometer - Pavia

Nachtrag: Sonntag! Trotzdem bin ich wieder wie immer aufgestanden, Frühzeitig aufgebrochen und gen Pavia marschiert. Gleich in dem ersten Ort, den ich durchlief viel auf, daß ein besonderer Tag sein müßte. Ich kam pünktlich zum Beginn des Gottesdienstes an. Die Kirche war randvoll. Ich setzte mich einen Moment in die Ecke, ging dann aber relativ schnell wieder, da es mir nach einem Kaffee gelüstete. Direkt Nebenan gab es eine Bar, die wohl auch zur Kirche gehörte. Dort bekam ich einen Stempel in mein Pilgerbuch, einen Kaffee und ein Croissant geschenkt und zum Abschied noch einen Rosenkranz. In der Bar lernte ich einen Mann kennen, der 17 Jahre auf dem Bau in Zürich gearbeitet hat. Dagegen sind 2000 Kilometer gehen ein Kinderspiel.Auf dem weiteren Weg habe ich ein echtes Hufeisen gefunden. Ich habe mich natürlich gefreut, es an meinen Rucksack gehängt und ein Stück mitgetragen. Dann habe ich an eine Geschichte mit der Weitergabe eines Blumenstraußes gedacht (daß man sich im Grunde an soetwas nur relativ kurz wirklich erfreut. Und die Freude geteilt noch größer wird, das heißt, wenn man den Blumenstrauss nach einer halben Stunde weitergibt. So habe ich mich eine halbe Stunde gefreut und es dann wieder auf den Weg gelegt, daß sich der Nächste auch freut. Das Glück liegt auf dem Weg, ich muß es nur aufheben.Leider fing es dann an zu regnen. Ich fand am Fluss eine Bar, wo ich mich erstmal hinsetzte, etwas trank und dem Regen zusah. Ich überlegte schon, zu fragen, ob ich dort mein Zelt aufstellen darf, als der Regen nachließ. Es waren noch etwa 8 Kilometer bis zum Campingplatz in Pavia. Der Weg ging den Ticino entlang. Es gab immer mal wieder einen Regenschauer, aber der Weg war schön, eher ein Trampelpfad, die Gegend war schön, so ließ sich die Strecke gut bewältigen. Nur das letzte Stück, wieder heraus zum Campingplatz ging eine befahrene Strasse entlang. Hier hielten zwei Radfahrer an und fragten mich nach dem Campingplatz. Da wir die selbe Richtung annahmen erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, daß er dort wirklich sei (Er war nicht ausgeschildert). Auf dem Campingplatz luden mich die Beiden (die ihr Zelt bereits aufgebaut hatten) zu einem Bier ein. Das war wie ein kleines Geschenk Gottes, da es auf dem Campingplatz nichts gab und ich auch nirgendwo mehr hätte hingehen können. Und es war schön, mich mal mit Nicht-Pilgern zu unterhalten. 16.09.13 - 32 Kilometer - St. Christina e BissoneNachtrag: Meine neuen Wanderschuhe haben sich schnell angepaßt. Sie sehen bereits so aus, als trüge ich sie schon seit Ewigkeiten. Das Staubgrau meiner übrigen Kleidung haben auch die Schuhe schnell angenommen. Und meine Füße glauben auch, bereits seit Ewigkeiten in ihnen zu laufen. Sehr schön. Heute Morgen habe ich nach dem Aufstehen einen Holländer, Harry, kennengelernt, der auch gerade sein Zelt zusammenpackte. Er kam aus der Gegend von Hengelo und war fast genauso lange unterwegs wie ich. Er hatte nur einen anderen Weg genommen. Straßburg haben wir Beide besucht, er drei Tage nach mir, er hat dann nur einen Weg über den Schwarzwald und den St. Gotthard gewählt. Wir sind dann gemeinsam losgewandert, haben uns in Pavia zwar nochmal verloren, aber dann später wiedergefunden. Ich hatte auf dem Weg schon jemandem meine Karte gegeben, daß er sie an ihn weitergebe, wenn er vorbeikäme. Auch das hat geklappt. Da die Karte aber vorher auch zwei deutschen Pilgern angeboten wurde, eilt mir jetzt ein Ruf voraus. So wurde ich vom Fährmann gleich als "der Dottore“ begrüßt, da die beiden Deutschen uns überholt und von uns scheinbar berichtet hatten. Auf dem Weg bekam ich gegen Später schon wieder etwas Stress, wie wir das den mit dem Zelten machen würden (Harry ist auch mit Zelt unterwegs). Da wurde uns schon im Ortseingang von Einheimischen gesagt, wir sollten neben der Kirche klingeln, da gäbe es eine Unterkunft für Pilger. Wir kamen dort an, und ohne, daß wir irgendetwas sagen mußten, bekamen wir einen Schlüssel, eine Einweisung in das Haus, gesagt, wo wir mit Pilgerausweis ermäßigt essen können und ein Zimmer. Auch hier war die Übernachtung wieder kostenlos. Am Abend kamen noch zwei Fahrradpilger, zwei Cousins aus Boston und Italien, mit denen wir nach dem Essen noch vor der Bar saßen und uns gemeinsam mit dem Priester, der auch noch erschien, gut unterhielten. Ein perfekter Abend.

17.09.13 - 21 Kilometer - Soprarivo

Die Pilgerunterkunft war gut, der Schlaf tief und ich brach gemeinsam mit Harry gegen 7 Uhr auf. Wir führten viele angeregte Diskussionen. Eines unserer Themen war die Bedeutung positiver Rückmeldungen, einen selber als Regulatorium, und für Kinder und Jugendliche zur Entwicklung eines positiven Selbstbildes. Die Rückmeldungen die wir erhalten sind wie ein Spiegel. Davon hängt ab, wie wir unser Bild von uns entwickeln. Wenn die Rückmeldungen in erster Linie negativ sind, so ist das Bild, daß wir von uns bekommen ein Negatives und wir mögen uns selber nicht.,Wenn die Rückmeldungen in erster Linie positiv sind, so ist das Bild, das wir sehen ein Positives und wir gefallen uns gut. Leider sind wir alle eher darauf programmiert, die Dinge zu sehen, die nicht gut sind. Es mag ein jeder für sich selber überprüfen, wieviel an negativen und wieviel an positiven Rückmeldungen er im Laufe des Tages gegeben hat. Ich würde erwarten, daß die Meisten auf der Negativseite viel mehr finden, da wir die positiven Verhaltensweisen unseres Gegenübers meist für Selbstverständlich und damit nicht für Erwähnenswert halten. Dies ist leider eine ungute Kultur, die so auch immer weiter gegeben wird und alle unglücklich oder unzufrieden macht.Ein weiterer Diskussionspunkt war der Unterschied in der Auffassung zwischen Protestanten und Katholiken, speziell das sehr strenge evangelikale Bild und die Bedeutung der Sühne und Buße für die Menschen. Ich selber bin mit einem sehr protestantisch geprägtem Menschenbild groß geworden. Dies beinhaltet, daß man für sich viel Verantwortung hat und Taten nicht ungeschehen gemacht werden können. Man muß mit sich selbst im Reinen werden. Eine göttliche Vergebung ist nicht vorgesehen. Zwar schon in dem Sinne, daß Jesus für die Vergebung der Sünden am Kreuz gestorben ist, aber letztlich muß man mit sich, im inneren Zwiegespräch klären, ob die Dinge, die man getan hat, so wirklich vor dem göttlichen Gericht vertretbar sind. Es sind dabei auch viele ethisch-moralische Fragen von entscheidender Bedeutung, für die es keine klare "Anweisung" gibt. Das ist im Kotholizismus doch etwas einfacher. Da gibt es klarere Strafkataloge, es gibt aber auch die Möglichkeit Sünden „abzuarbeiten“ und damit die Seele wieder „reinzuwaschen“. (Ich habe auf zwei Kirchvorplätzen eingemeisselte Busskataloge gesehen, auf denen stand, mit welchen Tätigkeiten oder Gebeten man wieviele Tage Fegefeuer erlassen bekommt) Leider klappt es mit dem Hochladen der Bilder nicht gut, sonst würde ich die Bilder hier veröffentlichen. Im Grunde ist es eine Art von Psychohygiene, die den Protestanten verwehrt bleibt.Unser Weg führte uns auf einem Deich zum Po und zum Anleger der Pilgerfähre. Ich war viel damit beschäftigt, mit Harry Schritt zu halten, da er mit seinen längeren Beinen einfach etwas schneller war. Die spannenden Gespräche waren mir diesen Einsatz wert. Auch die große Freude, die er über Dinge versprühte, die er erzählte, war für mich ein Erlebnis.Nach der Überfahrt mit der Pilgerfähre über den Po habe ich beschlossen, direkt hier mein Zelt aufzuschlagen. Und mit der Erlaubnis des Fährmannes tat ich es. Auch die Dusche im Haus wurde mir gleich angeboten, was ich natürlich gerne annahm.. Ein wunderschöner Platz am Fluss, der ruhig dahinströmt. Leider herrscht hier eine furchtbare Raupeninvasion, langhaarige Biester in Massen, weshalb der Genuss etwas getrübt ist. Die Bank war so übervölkert, daß ich mich nicht drauf setzen wollte. So hocke ich auf meinem Regencapetarp, wo ich jede herankommende Raupe frühzeitig sehen und wegschnippen kann. Aber eben nicht sehr bequem. Und Bequemlichkeit ist für das Schreiben und die Entwicklung von Gedanken nicht unerheblich.Vorhin habe ich feststellen müßen, daß meine Brille durchgebrochen ist. Zum Glück war es nur eine für 3Euro50, aber ohne Brille habe ich doch gerade Morgens Schwierigkeiten zu lesen. Nun, Morgen komme ich nach Piacenza. Hoffentlich finde ich dort eine Neue.Ich habe den Ort gewechselt, sitze auf dem Anleger des Bootes, blicke auf den Po. So muß sich Huckleberry Finn am Mississippi gefühlt haben. Ein langsames ruhiges Strömen des breiten Flusses. Und der ist wirklich breit. Und auf diesem Anleger gibt es auch keine Raupen. Schade, daß sich hier das Zelt nicht aufbauen läßt. Und ohne Zelt zu schlafen wird denn doch mittlerweile zu kalt und es gibt hier auch ein paar Mücken.Morgen werde ich es auch ruhig angehen lassen. Bis Piacenza sind es nur 13 Kilometer. Dann werde ich mir die Stadt in Ruhe ansehen. Da Ute am Sonntag wieder kommt, um mit mir nochmal eine Woche zu wandern, und es bis zum Treffpunkt nur noch 100 Kilometer sind, habe ich ziemlich viel Zeit. Die werde ich jetzt mit schlendern verbringen (Hoffentlich gelingt mir das)

18.09.13 - 30,4 Kilometer - Pontenure

Der Fährmann, Danielo Parisi, hatte mich gefragt,ob ich zu Abend etwas essen wollte. Da ich gelesen hatte, daß die Familie ein kleines Restaurant betreibt habe ich natürlich ja gesagt. Letztlich kam dabei heraus, daß wir gemeinsam in der Küche saßen, Danielo kochte, ich mich mit seinem 10jährigen Sohn unterhielt und wir dann gemeinsam in der Küche aßen und über das Leben in Italien sprachen. Es war einfach perfekt. Hochzufrieden bin ich im Schein des Vollmondes („die Wölfe haben Angst vor dem Psychiater“) zu meinem Zelt gegangen und habe noch einen Moment am Fluss gestanden und den Vollmond und die Sterne über dem Fluss genossen. Ein Moment von Glückseligkeit.Heute Morgen stand ich wie immer auf., die aufgehende Sonne spiegelte sich im Fluss, mein Weg führte mich noch ein Stück am Fluss entlang, bis es dann mehr auf dem Land weiterging. Es gab einen Abzweig, wo die Hauptroute auf eine Hauptstrasse zusteuerte und dann dieser folgend nach Piacenza führte. Der andere führte zum Fluss Trebbia, der laut Buch im Sommer oft trocken und damit überquerbar ist. Da mir diese Strecke attraktiver erschien ging ich also auf den Fluss zu. Er war nicht ausgetrocknet. Ich stand vor einem etwa 10 Meter breiten Fluss, dessen Tiefe ich nicht genau abschätzen konnte. Sehr tief konnte es nicht sein, gerade 10 Meter Flussaufwärts sah es passierbar aus. Ich wägte eine Weile ab. Schrieb in mein Notizbuch, daß ich den Fluss nicht durchquert habe und dann .... verpackte ich die elektronischen Sachen wasserfest, zog mir die Badelatschen an, krempelte die Hose bis zur Mitte der Oberschenkel hoch, nahm meine Wanderstöcke und ging auf das Wasser zu und durchquerte den doch schnellen und mehr als knietiefen Fluss. Ein wirklich heldenhaftes Gefühl. Ich bedauerte gerade, daß ich diese Heldentat ohne Zuschauer vollbracht habe als ich von der anderen Seite angerufen wurde. Der Applaus von Gegenüber beflügelte mich noch mehr. Und dann wurde es schwierig. Ich hatte zwar den Fluss durchquert, war aber noch lange nicht auf dem Weg, der auf der Seite von Fluss wegführte. Die Suche gestaltete sich überaus langwierig, da der Bewuchs größtenteils mehr als Kopfhoch und dazu noch streckenweise stachelig war. Ziemlich zerkratzt fand ich letztlich doch wieder Markierungen die vom Fluss wegführten. In der ersten Bar, auf die ich traf bekam ich einen Kaffee ausgetan. Das fand ich überaus freundlich. Mit Piacenza verlief es, wie von mir zu erwarten gewesen wäre. Wie ich gestern schrieb, wollte ich dort bleiben, die Stadt besichtigen und etwas chillen. In der Stadt angekommen, die Voll und Laut war, entschied ich mich um - wen wundert es - und verließ die Stadt wieder. Die nächsten Kilometer verliefen an der Strasse (Vergleichbar mit der Eckendorfer Strasse), durch die Aussenbezirke mit all den großen Läden. Irgendwann ging dann der Weg endlich von der Strasse weg, ich wollte aber eigentlich nur noch ein Bett. Da diese Strecke nicht beschreiben war, wußte ich auch nicht, wo ich denn nun etwas finden könnte, so wählte ich einen Weg schräg zurück zum nächsten größeren Ort, um mir dort eine Dusche und ein Bett zu suchen. Dabei kam ich über einen Hof, wo mich die zwei kleinen Hunde fast anfielen. Die Bäuerin hielt die Hunde erst zurück, sie kamen dann aber hinter mir her und ich rechnete schon damit, daß ich gleich die Zähne eines der Hunde in meinen Waden hätte, da eilte die Bäuerin hinterher, nahm mir meinen Wanderstock ab, ich gab ihn ihr im Glauben, daß alleine dadurch der Hund der am aggressivsten kläffte aufhören würde, sie schlug dann aber mit dem Stock auf den Hund ein, was mir dann doch sehr leid tat. Ich eilte weiter um schnell die Distanz zu erhöhen und kam dann erschöpft in der Herberge an. Den ganzen Tag über konnte ich sehen, wie ich den Abruzzen näher komme. Ich freue mich schon sehr, wieder in die Berge zu kommen.In der Diskussion mit dem Fährmann ging es unter anderem um die Lebensbedingungen der Kinder in Italien. Er beschrieb mir ein ähnliches Problem wie ich es in Deutschland sehe, daß die Kinder keine Zeit mehr haben, sondern völlig eingebunden sind. Unser gemeinsames Fazit war: Kinder brauchen Zeit zum Spielen. (Wer meine Einträge aufmerksam gelesen hat, wird sich erinnern, daß ich ähnliches schon vor Längerem geschrieben habe - Ich hatte es bloß für ein deutsches Problem gehalten) 

19.09.13 - 26,8 Kilometer - Kloster in Chiaravalle della Colomba
Der Tag begann mit einem langen Marsch entlang einer vielbefahrenen Strasse. Das ist laut! Ich sang laut gegen den Strassenlärm an, um mich selber besser vorwärts zu bringen. Ich war sehr glücklich, als ich diese Passage lebend überstanden und dann in die Felder abbiegen konnte. Es bot sich mir ein abwechslungsreiches Bild. Überall wurde geerntet, gepflügt. Ich wußte garnicht, daß Tomaten auch direkt am Boden angepflanzt werden können (Ich nehme an, diese Sorte wird vornehmlich für Tomatensaucen und -dosen verwendet. Die Ernte sah auch spannend aus. Leider gelingt mir das Hochladen von Bildern so garnicht. Sonst hätte ich hier eines zeigen können. Die Melonen lagen auch erntebereit auf dem Feld, doch in erster Linie wurde der Mais geerntet. Die Maschinen, die sich auf dem Acker bewegten, waren riesig. Die Zugmaschine für den Pflug war eine Art Raupe, die den reisigen Pflug leicht hinter sich herzog. Es wundert mich nicht, daß in der Landwirtschaft keine Arbeiter mehr gebraucht werden.An einem Feld wurden die Reste der Maisblätter von einem kleinen Staubteufel hoch in die Luft gewirbelt.Der Weg war dann auch wieder mit Wasserkontakt. An einer Stelle durchwatete ich barfuß den Bach. Es lag ein Geruch von Erde in der Luft.Später führte der Weg wieder über gerade und flache Strassen, es war heiß und machte nicht wirklich Spaß. So kehrte ich bald in ein Kloster ein, wo ich die Nacht verbringen werde. Ich hab nun auch bald Geburtstag und habe mir überlegt, ob ich an dem Tag etwas anders machen will. Und mir ist dabei aufgefallen, daß mein derzeitiger Tagesrhythmus für mich nicht optimierbar ist, ich würde nichts anders machen wollen. Ich freue mich nur, daß ich an dem Tag wieder an einen richtigen Fluss komme und die Berge wieder anfangen. Es hat ja leider nicht geklappt, daß Ute da schon da ist, aber sie kommt ja am Tag danach. Darauf freue ich mich besonders.

19.09.13 - 26,8 Kilometer - Kloster in Chiaravalle della Colomba

Der Tag begann mit einem langen Marsch entlang einer vielbefahrenen Strasse. Das ist laut! Ich sang laut gegen den Strassenlärm an, um mich selber besser vorwärts zu bringen. Ich war sehr glücklich, als ich diese Passage lebend überstanden und dann in die Felder abbiegen konnte. Es bot sich mir ein abwechslungsreiches Bild. Überall wurde geerntet, gepflügt. Ich wußte garnicht, daß Tomaten auch direkt am Boden angepflanzt werden können (Ich nehme an, diese Sorte wird vornehmlich für Tomatensaucen und -dosen verwendet. Die Ernte sah auch spannend aus. Leider gelingt mir das Hochladen von Bildern so garnicht. Sonst hätte ich hier eines zeigen können. Die Melonen lagen auch erntebereit auf dem Feld, doch in erster Linie wurde der Mais geerntet. Die Maschinen, die sich auf dem Acker bewegten, waren riesig. Die Zugmaschine für den Pflug war eine Art Raupe, die den reisigen Pflug leicht hinter sich herzog. Es wundert mich nicht, daß in der Landwirtschaft keine Arbeiter mehr gebraucht werden.An einem Feld wurden die Reste der Maisblätter von einem kleinen Staubteufel hoch in die Luft gewirbelt.Der Weg war dann auch wieder mit Wasserkontakt. An einer Stelle durchwatete ich barfuß den Bach. Es lag ein Geruch von Erde in der Luft.Später führte der Weg wieder über gerade und flache Strassen, es war heiß und machte nicht wirklich Spaß. So kehrte ich bald in ein Kloster ein, wo ich die Nacht verbringen werde. Ich hab nun auch bald Geburtstag und habe mir überlegt, ob ich an dem Tag etwas anders machen will. Und mir ist dabei aufgefallen, daß mein derzeitiger Tagesrhythmus für mich nicht optimierbar ist, ich würde nichts anders machen wollen. Ich freue mich nur, daß ich an dem Tag wieder an einen richtigen Fluss komme und die Berge wieder anfangen. Es hat ja leider nicht geklappt, daß Ute da schon da ist, aber sie kommt ja am Tag danach. Darauf freue ich mich besonders.

21.09.13 - 20,7 Kilometer - vor Fornovo di Taro am Fluss

Heute Morgen bin ich den doch ein klein wenig langsamer gestartet als sonst, ich war erst in der Bar und habe einen Kaffee und ein süsses Frühstück genommen ehe ich losging. Der Weg war sehr schön, ich sah ein halb verfallenes Haus an einem glorreichen Standort, daß mir sehr gut gefiel, spazierte Bergauf und Bergab über die Berge und durch die Täler. An einer Stelle wurden zwei Wegalternativen angeboten. Der eine sollte auf kleinen Wegen und eine Abkürzung sein, während der andere zum Teil an der Strasse verlaufen sollte. Ich wählte erst den Weg, der auf schmaleren Wegen verlaufen sollte, geriet aber sehr schnell an eine Stelle wo der Weg sehr steil auf einem Kiesweg bergab ging. Schon bei den ersten Schritten geriet ich ins Rutschen. So entschied ich mich um. Der einzige Nachteil war, daß ich dann wirklich mal wieder einen Abschnitt an einer viel befahrenen Strasse hatte, aber so lang war er nicht. An einem großen Baum, der alleine auf einer Anhöhe stand, stand ein Briefkasten. Auf diesem Stand „Pilger“. Da er keinem Haus zuzuordnen war, öffnete ich ihn neugierig und fand darin ein Heft und einen Stift. Die beiden Deutschen von Vorgestern hatten sich heute morgen dort schon mit einem Spruch eingetragen. So schrieb ich auch ein paar salbungsvolle Worte in das Heft, verschloss alles wieder gut und ging weiter.Das Wandern ist im Moment erschwert, da ich an viele Dinge denke, die zu Hause erledigt werden müssen. Das macht die Schritte schwerer und führt gerade an anstrengenden Stellen zu einer schnellen Ermüdung. Auch das Nicht-Zelten-können hat mich etwas demoralisiert.So war ich umso beglückter, als ich in diese Region kam. Hier gibt es viele Möglichkeiten, ein Zelt verdeckt aufzustellen. Und es ist Wasser da. Auch ein wichtiges Thema.Überhaupt: Wasser. Immer wieder bin ich auf meiner bisherigen Wanderung auf den ganz besonders hohen Wert des Wassers gekommen. Ob als Trinkwasser oder zum Waschen. Im Grunde dreht sich eine Menge meines täglichen Denkens um die Frage, wo ich einen Zugang zu Wasser bekomme. Auch die Wanderung durch die sehr ausgetrockneten Gegenden hat mir den hohen Wert des Wassers nochmal besonders vor Augen geführt. In Bielefeld ist es leicht zu vergessen. Wir haben eine optimale Versorgung mit hochwertigem Trinkwasser. Die Niederschlagsmenge ist eigentlich immer ausreichend und höchst selten mal etwas zu viel. So wenig wie wir Befürchtungen haben müssen, kein Wasser zu haben, so wenig müssen wir ein Hochwasser fürchten. Und: Je mehr ich mir des Wertes des Wassers, sauberen Wassers, bewußt werde, desto glücklicher bin ich, daß die Privatisierung der Wasserversorgung gestoppt wurde. Wasser ist ein Menschenrecht. Und ein Menschenrecht darf nicht kommerzialisiert werden. 

Nachträge: Die Tage waren sehr voll, insbesondere voll von netten Kontakten und Gesprächen, so hatte ich keine Zeit um meine Reiseberichte zu schreiben und hochzuladen. Jetzt kommen sie im Block

22.09.13 - 21,7 Kilometer - Bardone

Da habe ich sie wieder - meine liebe Frau. Ich habe erst den Sonnenaufgang an Fluss genossen, habe die Spuren von Rehen in der direkten Nähe meines Zeltes gefunden und bin dann in Richtung Fornovo aufgebrochen. Dort bin ich erst noch durch den Ort gelaufen, habe in einer Bar zufällig Bine und Horst wiedergetroffen, habe am Fluss gesessen und mein Zelt getrocknet (Das Zelt ist jeden Morgen vom Tau ziemlich nass) und so die Zeit verbracht, bis Ute mit dem Zug ankam. Dann sind wir wieder gemeinsam aufgebrochen. In Sivizzano tragen wir wieder auf die Beiden, die uns die schöne Unterkunft in dem Pfarrhaus zeigten (ein wirklich schöner Gewölbebau aus Bruchstein). Aber wir entschieden uns weiterzugehen und uns einen guten Platz zum Zelten zu suchen. Gerade als es anfing in leichten Stress auszuarten, da sie Dämmerung doch relativ schnell hereinbrach, fanden wir in Bardone einen Campingparkplatz für Wohnmobile. Eine Bewohnerin des Ortes, die wir fragten, sagte, daß wir uns dort mit dem Zelt auch gut hinstellen können. Es gab sogar eine Dusche und eine Toilette und die Camper, die dort standen gaben uns einen heißen Kaffee. Ein schöner Platz, ein sehr schöner Ort.

23.09.13 - 29,2 Kilometer - Bercetto

Auf dem Weg trafen wir im nächsten Ort auf ein zahmes Reh. Der Bauer erzählte uns, sie hätten es gefunden als es ganz klein gewesen sei und sie hätten es mit der Flasche aufgezogen, jetzt käme es immer um Milch zu trinken. Der Anblick des Rehes, wie es bei den Katzen stand und vor einem herankommenden Auto zum Hund floh war schon ein höchst ungewöhnlicher und schöner Anblick. Es war vorsichtig und schreckhaft und sehr schön. Gegen Mittag trafen wir in der einzigen Bar der weiten Umgebung auf lauter bekannte Gesichter, die zusammen speisten. So gesellten wir uns auch dazu. Matthias und Sabine (die ich schon vom Kloster in ... kannte), sind mit einer umfassenden Ausrüstung unterwegs. Gemeinsam tragen sie 55 Kilo. Mit Gitarre, Kocher und allem was man zum Campen gebrauchen könnte. Ich würde unter so einem Gewicht zusammenbrechen.

24.09.13 - 22 Kilometer - Pontremoli

Heute war ein Tag voller Eindrücke und mit erheblicher Anstrengung. Wir sind erst in aller Frühe vom Compingplatz aufgebrochen um gelassen die Strecke anzugehen, Pontremoli hieß das Ziel und war knappe 30 Kilometer entfernt. Laut Reiseführer schon auch mit der einen oder anderen Steigung und es war von der Erfordernis von Trittsicherheit die Rede. Wir haben dann den Berg erklommen und haben auf 1200 Meter Höhe eine phantastischen 360° Panoramablick gehabt. Unglaublich schön. In dem Wind haben wir das Zelt zum Trocknen aufgestellt und den Ausblick und die Sonne genossen. Alexnder haben wir auch dort oben getroffen und das Nutellaglas an ihn überreicht, daß uns Sabine und Matthias für ihn mitgegeben hatten. Dann kam der Abstieg, erst noch gemeinsam, dann ließ uns Alexander zurück, er war einfach deutlich schneller. Es ging immer steiler bergab, auf sehr rutschigem Schiefergeröll. 700 Meter Abstieg. Als wir in Groppoli ankamen, hatten ich das Gefühl keinen Schritt mehr gehen zu können. Vor Ute war noch kurz vor dem Ort eine ca 1Meter lange Schlange geflohen. Wir fragten in dem Ort, ob es eine Zeltmöglichkeit oder eine Unterkunft gäbe. Uns wurde gesagt, es gäbe leider nichts und auch im nächsten Ort gäbe es keine Möglichkeit. Aber ein freundlicher Mann bot uns an, uns die 8 Kilometer nach Pontremoli zu fahren. Da ich zu keiner Strecke mehr in der Lage war, nahmen wir das Angebot an und so brach ich meinen Vorsatz jeden Meter zu gehen. So war ich mal ausgesprochen nett zu mir.In Pontremoli wollte uns der nette Mensch auch noch eine Unterkunft besorgen, aber kaum waren wir aus dem Auto ausgestiegen, liefen wir Horst und Bine in die Arme, die uns berichteten, daß in ihrer Unterkunft noch ein Zimmer frei wäre. Sehr glücklich buchten wir uns dort ein und später trafen wir alle in einer Weinbar. So nahm der Tag doch noch ein glückliches Ende.

25.09.13 - 22 Kilometer - Villafranca in Virgoletta

Wir nutzten den Luxus und schliefen mal aus. Erst um etwa 8Uhr30 verließen wir nach einem Frühstück das Haus. Das Ziel (ein Campingplatz) war etwa 20 Kilometer entfernt und erschien so leicht zu erreichen. Der Weg führte erst eine befahrene Strasse entlang, wo ich schon noch merkte, wie mir der Abstieg des letzten Tages in den Knochen lag. Nachdem wir dann die Strasse verlassen konnten, durchliefen wir schöne Wälder, überquerten einen ausgetrockneten Fluss und fanden einen Bach, in dem wir unsere Füße kühlen konnten. Es wachsen viele unterschiedliche Pilze am Weg und wir konnten eine Eidechse befreien, die an einem Spinnenfaden hing. (Wir immer sie dahingekommen sein mag. Meine Phantasie war, daß sie die Spinne um ihre Beute bringen wollte, dann von dieser gefangen und an dem Faden aufgehangen wurde. - Na, nur so eine Idee)Wir sind dann zeitig auf dem Campingplatz angekommen, konnten Wäsche waschen und Ute war im gegenüberliegenden Supermarkt und hat uns reichlich mit Proviant eingedeckt. So bin ich an mein erstes veganes Eis gekommen, daß sie zufällig erworben hat (Ich hatte nicht gewußt, daß es sowas gibt).Auf dem großen Campingplatz sind wie die einzigen, und vermutlich auch mit die letzten Gäste, da er in wenigen Tagen schließt. Das Saisonende steht dicht bevor. 

26.09.13 - 33 Kilometer - Sarzana

Mit Einbruch der Dunkelheit erreichten wir nach einem Tag mit eindrucksvollen Perspektiven, und auch entsprechenden Auf- und Abstiegen, erschöpft Sarzana. Ab Villafranca hatten wir erst den Radpilgerweg auf der gegenüberliegenden Flussseite gewählt. Er ging über eine sehr kleine Strasse, die gut zu laufen war. Wir sahen eine frisch überfahrene Schlange von über einem Meter. Da mir diese Begegnungen doch immer wieder Sorge machen, habe ich sie fotografiert und in einer Apotheke gefragt, ob die Schlangen giftig seien und ob ich ein Gegengift erwerben könne. Giftig seien sie, aber ein Gegengift würde man nur im Krankenhaus bekommen. Tja, so bleibt die gewisse Unsicherheit bestehen.Dann folgte ein erneuter Anstieg, wieder rauf auf 550 Meter. Ein Blick auf Dörfer, die auf den Bergen hocken, verfallene Burgen. Orte, die wie Nester auf den Wipfeln hocken. Und der Blick in die Ferne. Dann konnten wir das Meer sehen. Der Abstieg gestaltete sich wieder sehr schwierig. Steil, Geröll, und mein Fuß fühlte sich dabei nicht sonderlich wohl. Der Weg zog sich dann sehr hin. Wir fanden zum Glück ein Bed&Breakfast wo noch ein Zimmer frei war. Und dieses war besonders schön. Stilgerecht renoviert. Wir haben uns dann nochmal aufgerafft und haben einen kleinen Streifzug durch die Stadt gemacht. Eine sehr schöne, alte Stadt. So fühlten wir uns für die Mühen reichlich belohnt.

27.09.13 - 13Uhr20 - Marina di Carrara

Gegen halb zwölf habe wir das Meer erreicht. Ein Blick zum Horizont, in die Ferne. Weit über das Meer in die Ferne. Ein paar Schiffe , ein Angler am Meer, leere Liegestühle. Die Bars verlassen. Der Himmel ist bedeckt. Die etwas geschundenen Füße haben wir erst im Meer gebadet, dann barfuß über den Sand gehen, eine wahre Wohltat. Die Luft schmeckt salzig. Nach etwa 70 Tagen das Meer erreicht. Ich verstehe nicht, weshalb die Via Francigena nicht zum Meer führt. Wir mußten vom Weg abweichen, einige Kilometer entlang einer befahrenen Strasse und wir waren da. Dann sind wir barfuss in der Brandung den Strand entlang gegangen, Und, ein Stück weiter sahen wir ein bekanntes Gesicht: Alexander, der hinter einem Steinwall saß und sich auch überlegt hatte einen Abstecher zum Meer zu machen. Im Sand laufen. Was für ein Genuss. Ohne die schweren Schuhe an den Füßen. Dies ist nochmal ein anderes Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit. Eine weitere Perspektive. Wir haben es angemessen in einer Bar begangen, in der wir sitzen und mal wieder das Gefühl von Urlaub haben.Im Übrigen: Pilgern ist harte Arbeit. Den ganzen Tag zu gehen, Hindernisse zu überwinden erfordert eine Menge Konzentration und Energie. Als wir heute morgen dem Inhaber des B&B sagten, wir würden morgen einen Tag Urlaub am Meer machen, mußte er auch grinsen. Doch genau das ist es. Mein zweiter Ruhetag seit ich losgegangen bin. Manchmal kann ich es selber kaum fassen, wie lange ich schon gehe. Und gehe und gehe. Wenn ich danach gefragt werde, benenne ich den Zeitraum und es fühlt sich an, wie ewig. Spannend, daß das geht, Ich bin nicht wirklich erstaunt, da ich fest davon ausgegangen bin, so lange gehen zu können. Doch es sich auszumalen und es zu tun, bleiben doch zwei unterschiedliche Dinge.Es ist nicht wirklich spektakulär. So wie sich auch meine Tagesberichte wenig spektakulär lesen. Es ist ein langsamer Prozess. Pilgern hat Ähnlichkeit mit Minimal Music, viele Wiederholungen und alle paar Takte eine geringfügige Veränderung (Es gibt eine Minimal-Music Gruppe, die auch den Namen „in process“ hat. Schöne Musik, die aber eben auch oft über lange Abschnitte fast eintönig wirkt.) Pilgern ist in der Wiederholung der Abläufe ein meditativer Prozess. Es gab jetzt einige Abschnitte, die viel Konzentration und körperliche Arbeit erforderten. Das ist dann weniger Meditativ. Da ist gar kein Raum mehr zu denken. Da sind alle Sinne bei der Tätigkeit.Und selbst wenn wenig passiert, passiert so viel, daß ich es zum Teil garnicht mehr erinner, wenn ich dann hier sitze und schreibe. Und jetzt sehe ich das Meer, die Wellen, höre das Rauschen der Wellen und viel Italienisch. In Bezug auf meine Frage, was ich machen werde, wenn ich zurück bin, habe ich für mich noch keine befriedigende Antwort. Die Idee mit der Doktorarbeit steht im Raum, damit werde ich jedoch kein Geld verdienen können. Ich warte noch darauf, daß mir jemand ein attraktives Angebot macht.

27.09.13 18 Kilometer - Marina di Massa

28.09.13 Marina di Massa - Ruhetag

Nun zieht auch hier der Herbst ein. Auch der Campingplatz hier macht Morgen zu. Das wird schwierig werden auf den letzten 450 Kilometern. Das Wetter ist trübe. Und für die nächsten Tage ist Regen angesagt. Pünktlich zu Utes Abfahrt wird es kalt, grau und nass.Und hier am Meer ist es trotz der fehlenden Sonne sehr schön. Das Wasser plätschert leise vor sich hin. Das grosse, geheimnisvolle Meer, das seine Fülle und Schönheit unter der spiegelnden Oberfläche verbirgt. Anders als die Berge, in denen der Blick Vieles erfasst und die Fülle und Vielfalt sich offen zeigt, offenbart sich das Meer erst wenn man in die Tiefe geht. Eine Sicht, die mir noch verschlossen ist. Vielleicht sollte ich das Mal machen und auf Tauchgang gehen. Leider ist es um meine Schwimmkünste nur mässig bestellt. Gestern sind wir mit den Rücksäcken barfuss am Strand weitergegangen. Das ging ausgesprochen gut. Eine wahre Fußmassage. 

29.09.13 - 18 Kilometer - Pietrasanta

Gestern wurde es noch ein wunderschöner Tag, die Sonne kam heraus, wir sind im Meer geschwommen und haben in der Sonne gelegen. Mitten in der Nacht kamen dann die großen Wolkenschiffe und vollzogen am Himmel eine große Seeschlacht mit vielen Blitzen, die unser Zelt erleuchteten. Die Wokenschiffe prallten am Himmel mit viel Kraft und Donner aufeinander. Akustisch ein wahres Erlebnis.Heute Morgen setzte pünktlich für unseren Zeltabbau der Regen aus und wir konnten in Ruhe unsere Sachen packen. Wir fuhren mit dem Taxi zum Bahnhof. So verließ mich meine geliebte Frau wieder nach Hause. Als ich mich mit dem Taxi wieder auf den Weg zur Pilgerherberge zu machen um Alexander dort zu treffen, zog ein entsetzliches Unwetter auf, der Regen peitschte, die Bäume bogen sich, Äste flogen durch die Luft. Mit dem Taxi kamen wir wegen umgestürzter Bäume oder heruntergerissener Reklamen nicht weiter. Die Autos standen mit angemachtem Warnblinklicht auf der Strasse. Und mit Wuchtpeitschte der Regen immer wieder in alles, was sich ihm in den Weg stellte. Der Taxifahrer ließ sich nicht beirren suchte einen immer neuen Weg. Ich kam letztlich gut an der Pilgerherberge an, wo wir über den Preis verhandelten, da er weniger haben, als ich ihm geben wollte. In der Herberge traf ich auf Alexander und eine belgische „Neu-Pilgerin“, Emilie. Nach einer Stunde war der Sturm vorbei und wir brachen zu Dritt zur nächsten Etappe auf. Dabei kamen wir an vielen Stellen vorbei, wo der Sturm Bäume geknickt und Dinge zerstört hatte. An vielen Stellen war die Feuerwehr bereits beschäftigt mit Kettensägen und Kranwagen die Strasse wieder frei zu machen. Das ganze Schauspiel hatte weniger als eine Stunde gedauert und eine riesige Zerstörung hinterlassen. Als wir weitergingen sahen wir auch, daß sich diese Zerstörung nur auf einen sehr kleinen Küstenstreifen bezogen hatten. Etwas weiter waren noch ein paar Stühle umgestürzt, aber nichts mehr so sehr zerstört. 

30.09.13 - 36,7 Kilometer - Lucca

Die Nacht verbrachten wir in einem Kloster. Wir wanderten noch durch die schöne Stadt mit ihren vielen Bars und Restaurants. Trotz des gerade erst beendeten Regens war viel Leben auf der Strasse. Morgens brachen wir früh auf, da wir wußten, daß der Weg bis Lucca weit würde und es davor um Unterkünfte schlecht bestellt war. Der Weg führte uns nochmal über einige Hügel, dann verpaßten wir einen Abzweig und statt eines Hügels kletterten wir auf einen kleinen Berg hinauf. Von oben hatten wir einen phantastischen Ausblick bis aufs Meer. Zwischendurch gab es dann auch Regen, vor einem besonders starken Regenguss konnten wir uns in einer Kirche in Sicherheit bringen. Gemessen an den Vorhersagen hielt es sich aber sehr in Grenzen. Es wurde schon Nachmittag und der Weg hätte noch weiter 16 Kilometer mit einem weiteren Anstieg bedeutet. Es bot sich eine kürzere Alternativstrecke an, die jedoch entlang der Strasse verlief. Nun, wir entschieden uns für die kürzere Variante. Emilie entschied nach etwa einer weiteren Stunde, daß sie lieber den Bus für den Rest der Strecke nimmt, so liefen wir zu zweit tapfer weiter. Die Strasse hatte anfänglich noch einen Seitenstreifen, wurde dann aber immer enger, zum Teil verlief sie in einer Allee, später war an einer Seite eine Mauer. Dann kam auch noch ein Baustellenabschnitt. Die Autos hatten kaum noch Spielraum auszuweichen und die Italiener fahren einen sehr zügigen Stil mit nur minimaler Benutzung der Bremse. Als dann noch die Sonne tiefer ging und die entgegenkommenden Autofahrer geblendet waren, wurde es noch gefährlicher. Ich war dankbar für jeden Kilometer, den wir heil und ohne daß ein Unfall geschehen war, vorwärts gekommen sind. Mit dem Aufleuchten der Strassenbeleuchtung kamen wir in der Jugendherberge an. Die im Übrigen ein wahrer Palast ist. Mit großen sehr sehr hohen Aufenthaltsräumen, die mit Sitzgruppen und edel aussehenden Teppichen eingerichtet waren. Es wirkte alles sehr großzügig. Abends gingen wir noch durch die Stadt. Ich wußte nicht, daß Lucca auch eine ganz besonders schöne Stadt mit einer kompletten Stadtmauer ringsherum ist. All die kleinen Geschäfte waren noch hell erleuchtet und überall saßen Menschen draußen in den Bars und Cafes in den engen Strassen mit den hohen Häusern. Diese Stadt ist als Reiseziel auf jeden Fall zu empfehlen (Ich weiß natürlich nicht, wie voll es mitten in der Saison ist....).

1.10.13 - 22 Kilometer - Altopascio

Heute Morgen bin ich mal wieder alleine aufgebrochen. Alexander und Emilie wollten länger schlafen und erst noch in der Jugendherberge frühstücken. Und ich wollte gerne mal wieder alleine wandern. So verließ ich das Haus mit der aufgehenden Sonne und schlenderte erst noch durch die Stadt, besichtigte ein paar Kirchen und ließ das morgendliche Treiben auf den Strassen auf mich wirken. Die Stadt nahm den Betrieb auf. Die Schüler gingen zur Schule, die ersten Geschäfte öffneten und die ersten Sonnenstrahlen suchten sich ihren Weg in die schmalen Strassen. Ich machte mich dann auch langsam auf meinen Weg. Es ging wieder eine befahrene Strasse heraus aus der Stadt. Zum Glück nicht so schlimm, wie am Vortag hinein, aber sehr befahren und eng. Ich war sehr froh, als der Weg endlich auf einer kleineren Strasse weiterging. Als ich mich der zunehmenden Wärme bekleidungstechnisch anpassen wollte, mußte ich feststellen, daß ich mein Sonnenkappe irgendwo verloren habe. Was ich sehr traurig fand. Schließlich trug ich sie jetzt seit Bielefeld fast immer auf dem Kopf, sie war ein Teil von mir geworden. Ein paar Kilometer weiter kam eine alte Frau auf einem Fahrrad, die intensiv auf mich einsprach und mir immer wieder erklärte, wie ich den Weg nehmen sollte. Dann kam noch eine weitere hinzu, die der ersten sagte, daß es so nicht richtig sei. Sie war sehr resolut, stieg vom Rad und begleitete mich ein Stück, an einer Stelle ging sie dann bloß in eine Richtung, die von den Pfeilen so nicht angegeben wurde. Da ich sie nicht beleidigen wollte, hielt ich meinen Protest zurück. Dann kamen wir an ein Haus, von dem sie sagte, daß es ihres sei und sie wies mich dann an, wie ich weiter zu gehen habe. Das habe ich dann getan, bis ich aus ihrem Blick war, um dann mit GPS, Karten und Handy zu sehen, wie ich wieder auf den Weg zurück käme. Dabei mußte ich dann feststellen, daß es sich um eine kleine Abkürzung gehandelt hat und ich garnicht zurück zum Weg mußte, sondern er wieder zu mir kommt.Ein gutes Stück weiter fand ich dann auch eine Wiese, wo ich eine längere Pause machen und mein Zelt trocknen konnte, das ich nun schon fast drei Tage nass mit mir durch die Gegend schleppte. Hier erreichte mich dann eine SMS ob mir den etwas fehle. Und ich war heilfroh, daß Alexander mein Kappe gefunden hatte.Und ich ging wieder weiter. Einmal klingelte das Telefon "Anonym", das heißt in der Regel, daß ein Familienmitglied anruft. Stattdessen war es jemand, der die Praxis erreichen wollte und über die Krisenumleitung bei mir gelandet war. Glücklicherweise war es nicht wirklich dringend. Ich war aber sehr schnell in der angestammten Rolle. In Altopascio kam ich schon gegen 16Uhr an. Eigentlich zu früh um schon zu bleiben. Die weitere Strecke geht jedoch wieder lange die Strasse entlang, Und ich wußte, daß meine Füße das garnicht gut finden würden, wenn ich jetzt noch weiterliefe. Die nächsten Zeltmöglichkeiten lagen relativ weit weg. So entschied ich mich zu bleiben, obwohl mein Herz noch weiter wollte.Hier kamen dann auch nach kurzer Zeit Alexander und Emilie an und wir beschlossen jetzt auch erstmal weiter zusammen weiterzugehen.

2.10.13 - 28,3 Kilometer - San Miniato Basso

Endlich mal wieder eine Nacht im Zelt. Die Pilgerunterkunft an einer Hilfsorganisation (ähnlich den Johannitern) war voll. Aber wir durften unsere Zelte neben den Rettungswagen aufstellen (Juchuu!). So kam ich endlich mal wieder in den Genuss meines Zeltes. Ich schlief wunderbar tief in meinem kleinen Zuhause. Abends gingen wir noch in eine Bar, die sehr jugendlich aufgemacht war, saßen auf chilligen Sesseln und nahmen unseren Nachttrunk. Es war ein richtiges Urlaubsgefühl nach dem letztlich doch auch anstrengenden Tag.Wobei das Wetter wieder herrlich war, ein langer Weg entlang eines Flusses, unterschiedlichste Eindrücke. Es ist sehr schön, zu Dritt zu wandern. Alexander hat sein Tempo etwas heruntergesetzt, so daß wir wirklich gut miteinander wandern können. Das gemeinsame Singen bringt uns zusätzlich vorwärts.

3.10.13 - 29,5 Kilometer - Gambasso Therme

Ich möchte ja die interessierten Leser nicht langweilen. Ich kann jedoch immer wieder nur wiederholen, wie wunderschön alles ist, was ich zu sehen bekomme. Unser Morgen begann mit einem Aufstieg nach San Miniato Alto. Dort nahmen wir unseren Morgenkaffee auf der Terrasse des Cafes ein, unter dem ein sehr tiefer Abgrund war. Und damit eine herrliche Aussicht. Unser Weg verlief zum größten Teil auf einem Hügelkamm. Ein einziges Auf und Ab, mit immer neuen phantastischen Aussichten.Wir machten auf einer Wiese im Sonnenschein Pause, hatten einen unglaublich schönen Ausblick. Es war ein perfekter Augenblick.Gegen Abend kam das übliche Problem der Übernachtung: Unser Ziel war Gambasso Therme. Dort sollte es eine Pilgerunterkunft geben. Zwar ohne Dusche und in einem großen Raum mit Luftmatratzen, aber im Grunde war uns alles Recht. Kurz vor der Stadt gab es einen Hinweis auf eine neue Unterkunft. Dort erfuhren wir jedoch, daß diese geschlossen ist. Und dass die alte Unterkunft auch nicht mehr Existent war. Jetzt war guter Rat teuer. Es sollte in der Stadt ein Hotel geben. Das erschien uns aber sehr teuer. Wir gingen nun auf die Stadt zu. Im Rathaus erfuhren wir dann, daß es als einzige Möglichkeit dieses Hotel gab. Wir nahmen uns ein Zimmer zu Dritt, so war es dann nicht so furchtbar teuer. Abends lernten wir noch ein älteres Pilgerehepaar aus Australien kennen, denen es genauso wie uns ergangen war.

4.10.13 - 28,2 Kilometer - Gampiglia

Heute liefen wir immer wieder getrennt. Das Tempo unterschied sich und das Bedürfniss nach Pausen war auch nicht so ganz einheitlich. Und es gab immer wieder Phasen, in denen wir gemeinsam liefen. In San Gimignano machten wir eine längere Pause. Wir sind wieder in einer touristisch dominierten Region. Schon während der Näherung fielen die vielen Ferienunterkünfte auf und die hohe Anzahl deutscher Autos. San Gimignano, eine mittelalterliche Stadt, war voller Touristen und entsprechenden Geschäften. Wir konnten in Ruhe das Treiben beobachten, aßen das „Weltbeste Eis“ und zogen weiter. Vergebung: Ich meine ein innerer Frieden ist nur möglich, wenn ich meinem Nächsten auch das Vergebe, was er mir angetan hat, was er an Verbrechen begannen hat. Vergebung ist die Voraussetzung für Versöhnung. Und gibt mir den Raum, auch mein Gegenüber wieder neu betrachten zu können und ihm eine erneute Chance zu geben.Wenn ich keinen Groll in mir trage, werde ich selber leichter und freier. In San Gimignano sind wir an einem Foltermuseum vorbeigekommen. Hier sahen wir im Eingangsbereich Folterinstrumente mit denen „Ungläubige“ von der Inquisition gefoltert und zum „Abschwören“ gezwungen wurden. Um mit der Kirche einen inneren Frieden schließen zu können erfordert es auch der inneren Vergebung dieser grausamen Verbrechen. Ich weiß, daß die heutigen Repräsentaten nicht dafür verantwortlich sind. Und es ist ein innerer Prozess, auch dies anzuerkennen.

Heute habe ich die 2000 Kilometer überschritten. Das ist nicht nur gefühlt sehr weit. So weit bin ich selbst mit dem Auto noch nirgendwo hingefahren. Wobei das Triumphgefühl ausgeblieben ist. Gedanklich bin ich wechselnd Hier und bei der Rückkehr, nicht jedoch bei dem Ver-“Gangenen“.

5.10.13 - 32,3 Kilometer - San Martino (kurz vor Siena)

Als es Gestern später wurde, haben wir uns eine Möglichkeit zum Zelten gesucht. Emilie kam auf die Idee bei einer Bar neben einem Fußballplatz zu fragen, ob wir nicht dort unsere Zelte aufbauen dürfen. Der Besitzer der Bar, der von der Bedienung angerufen wurde, kam und zeigte uns einen Platz unter einem Dach, wo vorher eine Art Restaurantterasse gewesen war. Dort konnten wir unsere Zelte zwar nicht aufbauen, aber es erschien uns ein ausreichend geschützter Platz zum Schlafen zu sein. Wir aßen noch etwas in der Bar, spielten Karten und wollten uns zur Ruhe begeben. Ich wollte nur noch ein kleines Glas Whiskey trinken, da es in der Bar zufällig eine meiner Lieblingssorten gab. Nun, statt eines einfachen Whiskeys bekam ich einen fünffachen für 2Euro50. So ging ich zu Emilie und Alexander und wollte sie an meinem Genuss teilhaben lasse. Die Beiden beschlossen dann auch noch ein Glas zu trinken. So fanden wir uns wieder an der Bar ein und immer mehr junge Menschen kamen um mit uns zu sprechen, gaben uns noch weitere Getränke aus und es wurde ein höchst angeregter Abend. Um 2Uhr Nachts zogen wir uns dann zurück. Im weiteren Verlauf der Nacht gab es wieder ein heftiges Gewitter und trotz des Daches und meinem Regenponcho auf dem Schlafsack war dieser am Morgen ziemlich feucht. Auch die Zeit des Aufbruches verschob sich letztlich auf 8Uhr30. Als mein Wecker um 6Uhr30 klingelte, schliefen die Beiden noch derart tief, daß ich es nicht über mich brachte, sie zu wecken. Eigentlich lautete unser Tagesziel Siena, da Emilie am Sonntag von dort zur Olivenernte aufbrechen wollte. Nun war unser Aufbruch schon etwas verspätet, dann setzte ein Dauerregen, mit zum Teil hoher Intensität ein. Teilweise versanken wir fast im Schlamm. Um 13Uhr hatten wir so gerade mal 15 Kilometer erreicht (von über 30) und Alexanders Moral war doch etwas reduziert. Er beschloss von dort den Bus zu nehmen und Emilie schoss sich an. Nach einem kurzen Entscheidungsfindungs-prozess entschied ich mich weiterzugehen - so weit mich meine Füße tragen. Als sei es eine Gesinnungsprobe gewesen, setzte nach einer weiteren Stunde der Regen aus, ich freute mich schon und schritt voller Elan durch die vom Regen gesäuberte und frische Luft, erfreute mich an den hellen Streifen am Himmel und sah mich schon zu Fuß in Siena ankommen. Die Freude hielt nicht so sehr lange an. Kaum war ich etwas getrocknet kam ein erneuter Regenguss. So wiederholte es sich noch ein paarmal, bis ich ziemlich durchnäßt war. Und die Feuchtigkeit schon so meine Hose hochgestiegen war, daß sogar der Plan und das Buch in meiner Seitentasche nass waren.Und weitergegangen zu sein und noch fast bis Siena gekommen zu sein hat mich triumphieren lassen. Der Sieg des Geistes über die Materie, die Freiheit, auch unter schwierigen Bedingungen bei einem Vorhaben bleiben zu können und keinen Schaden zu nehmen. Ich habe gesiegt, auch gegen die Versuchung, mit dem Bus zu fahren. Ich will den Weg gehen und ich werde ihn gehen. (Ich weiß, einmal bin ich schwach geworden, ich habe mir vorgenommen, daß es bei dem einen Mal bleibt)Eigentlich wander ich auch ganz gerne im Regen, mit meinem Regenponcho sehe ich aus wir eine große Schildkröte und bin ein wenig abgeschottet gegen alle Arten von Außenreizen. So kann ich besonders gut meinen Gedanken nachhängen und vor mich hinsingen. Bloß Heute war es den doch etwas viel. Kurz vor Siena lag ein Hotel zu einem annehmbaren Preis am Weg, wo ich einkehrte, mich grundrenovierte und mich jetzt wieder kultiviert fühle. Ohne Alexander und Emilie weiterzugehen hat sich erstmal wie ein großer Verlust angefühlt. Wir waren jetzt 1 Woche (mit kurzer Unterbrechung) gemeinsam unterwegs und haben viele gemeinsame Abenteuer erlebt. So war es ein richtiger Abschied. Als ich dann wieder alleine ging, hat es sich im Weiteren auch gut angefühlt, da ich wieder unabhängig mein Tempo gehen, Pausen und kurze Stopps für Fotos machen konnte. Ich habe mit meinen Kräften wieder nach meinen Bedürfnissen haushalten können. Das ist auch gut.Abends suchte ich mir noch einen Ort, wo ich etwas essen konnte. An der Rezeption erfuhr ich, daß fußläufig nur eine Pizzeria zu erreichen sei. Das war mir recht, so machte ich mich auf den Weg. Diese Pizzeria entpuppte sich dann jedoch als eine Art Indoor-Spielplatz, an dem gerade viel los war. Es war ziemlich betriebsam, die Kinder rannten durch die Gegend und die Akustik war deutlich geräuschverstärkend. Das war nochmal ein Weckprogramm. Und es war so, wie es bei uns wäre. Amüsiert und interessiert betrachtete ich das Treiben und aß dabei meine Pizza. Und ich war schon auch froh, als ich wieder zurück in meinem ruhigen Hotelzimmer saß.

06.10.13 - 31,3 Kilometer - Monteroni

Dies war ein Tag der Begegnungen und der verhinderten Pausen. Nach einem frühen Frühstück brach ich auf nach Siena. Ein herrliches Licht lag über den Häusern, Bäumen, die Feuchtigkeit stieg auf. Ich ging zwar entlang der Strasse, aber an dem frühen Sonntag war noch kaum ein Mensch unterwegs. So kam ich in Siena an, durchschritt die alten Strassen und kam zum Dom. Mit meinem Pilgerausweis durfte ich ihn sogar kostenlos besichtigen. Eigentlich öffnete er erst um 10Uhr30, ich sah aber schon um kurz nach 10 die ersten Menschen dem Eingang zustreben. So folgte ich ihnen und kam so in den Genuss den Dom fast Menschenleer besichtigen zu können. Dieser Dom ist kein „Gebrauchsgegenstand“ Er ist ein einziges Marmor-Kunstwerk. Es hat mich sehr beeindruckt. Die Mosaike, die Deckenbemalung. Die mittelalterlichen Bücher in der Bibliothek. Menschen sind doch große Künstler.Nach dieser Besichtigung suchte ich meinen Weg zurück zur Via Francigena, dabei querte ich den Piazza il Campo mit dem Palazzo Publico, dem zweiten großen Prachtbau der Stadt. Der große, halbrunde, zum Palazzo geneigte Platz war voller Menschen, Reisegruppen, Stadtführungen, rundherum Bars und Restaurants. Und hier lief ich in die Arme von Sabine und Horst. Ich hatte mich schon gefragt, wo die Beiden wohl abgeblieben waren, schließlich waren wir uns vor Massina regelmäßig begegnet. Und hier in dieser großen Stadt trafen wir einander. Das war schon mehr als ein glücklicher Zufall. Ich brach dann zu meiner weiteren Wanderung auf, durchschritt die Porta Romana und wanderte über die Hügel. Ich genoss die wechselnden Perspektiven und den Blick auf Siena, den ich immer wieder erhielt. Gegen Mittag fand ich eine Bar, wo ich gerne eine Erfrischung getrunken hätte, sie schloss jedoch direkt vor mir. Dann ging ich weiter, versank mit meinen Füßen fast im Schlamm, die Wanderstöcke wurden mit den Schlammklumpen immer wieder schwer. Dann machte ich an einer Brücke Pause, setzte mich auf die Steine, blickte aufs Wasser und wollte es mir gerade gemütlich machen, als mehrere Feuerwehrautos angefahren kamen. Die Feuerwehrleute stiegen aus und kamen auf mich zu. Im Wasser lagen Schwimmkörper, die wohl zur Abgrenzung benutzt worden waren, sich aber losgerissen und jetzt hier verfangen hatten. Damit sie ihre Gegenstände bergen konnten, mußte ich meinen Platz leider verlassen und so wanderte ich weiter, auf der Suche nach einem geeigneten Platz. Leider war es überall sehr schlammig, so war an ein Hinsetzen nicht zu denken. Nach einer weiteren Stunde, die Füße wurden langsam lahm, setzte ich mich an einer Wegkreuzung auf einen Steinweg. Kaum saß ich, kam Alexander den anderen Weg herauf. Er kam höchst vergnügt daher, wirkte frisch und fit, obwohl er erst deutlich später in Siena aufgebrochen war. Er hatte die Strasse gewählt. Hm. Da war er schlauer gewesen als ich. Und wenn meine Pausen nicht verhindert worden wären, hätten wir uns hier nicht getroffen.Es war sehr schön, wieder zusammen zu gehen. Ich beschloss dann trotzdem, meinen Füßen zuliebe und wegen der aufziehenden Regenwolken, mir im übernächsten Ort ein Zimmer zu suchen. (Was sich als weise erwies, da es gerade, wo ich jetzt hier schreibe, anfängt zu regnen.) Da Alexander zeitlich gebunden ist, eilte er noch weiter. Mal sehen, ob ich ihn nochmal einhole.Und die Strecke wird übersichtlich kurz. Eben habe ich ein Strassenschild gesehen, auf dem Rom mit 234 Kilometer angezeigt war. Gut, der Fußweg ist ein Stück länger, aber auch nur ein Stück. In meiner Rechnung werde ich voraussichtlich in 9 Tagen den Petersplatz in Rom erreichen. Es regnet immer stärker und ich hoffe, daß Alexander sein Ziel noch trocken erreicht hat.

7.10.13 - 35,8 Kilometer - San Quirico d‘Orcia

Heute Morgen war es noch dunkel als der Wecker klingelte. Da ich in der letzte Zeit in Begleitung von tendenziellen Spätstartern war, war es mir nicht so aufgefallen. Jetzt mußte ich feststellen, daß ich meinen Rhythmus verändern muß. Mit dem ersten Aufhellen ging ich los. Erst noch ein Stück entlang der Strasse, dann verlief der Weg neben einer Bahnstrecke. Erst waren meine Gedanken an die Rückfahrt geheftet, es war nebelig, ein grauer Schleier hing über allem. Die Welt und Umgebung erschien fast unwirklich, Vögel waren zu hören, Bäume tauchten im Nebel auf. Dann mal ein verlassenes Haus. Auch die Bahnstrecke erschien verlassen. Und als sich der Nebel erhob, ergriff mich eine große Freude, fast Euphorie. Mit allem was ich sah, fühlte ich mich reich, angefüllt und frei. Die Sonne kam durch und die Wege waren gut zu laufen. Nur einmal gab es einen Streckenabschnitt, wo der Boden noch so feucht und schlammig war, daß meine Füße anzuheben ein Kraftakt bedeutete. Gegen Nachmittag zogen dunkle Wolken auf, ein Grummeln und Donnern, ab und zu ein Blitz, aber mich traf nur wenig Regen, direkt begleitet von einem Regenbogen. Ein Tag voller wunderbarer Himmelsschauspiele.Und am Abend traf ich in der Herberge lauter bekannte und ein paar neue Gesichter. Die Pilgergemeinde wird immer größer, je näher ich Rom komme. Heute stand auf einem Strassenschild Rom 200 Kilometer.

8.10.13 - 31 Kilometer - Radicofani

Gestern Abend hatte ich eine aufschlußreiche Diskussion mit dem Priester der Gemeinde. Mir ist ein großes Grundproblem deutlich geworden: Er sagte der Mensch ist dem Mensch ein Wolf. Womit er meinte, daß Menschen erstmal einander nichts Gutes wollen, sondern nur für sich etwas tuen. Er gab das Beispiel, daß der gute Samariter (in dem Gleichnis von Jesus) auch nur deshalb geholfen habe, weil es ihm selber damit besser gegangen sei. Ich war bestürzt über diese Interpretation des Gleichnisses von Jesus. Auch das der Mensch nur sich selber liebt war für mich eine These, die meinem Menschenbild widerspricht. Es erschien mir leider so, als seien seine Worte konform mit der Haltung der Kirche. Wenn dieses tatsächlich die Haltung ist, so kann ich die zum Teil menschenfeindliche Haltung der Kirche verstehen. Gerade meine Erfahrungen der letzten Wochen und meine Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Familien widerspricht diesem Bild. Ich erlebe die Menschen, denen ich begegne freundlich, zugewandt und großzügig. Ich habe auch die Eltern in der Regel bemüht und liebevoll erlebt. Die Schwierigkeit, die ich sehe, ist, daß wir einfach oft nicht wissen, was gut und richtig ist. Ich sehe uns Menschen als im Grunde gut, bloß unwissend an. Ich sehe das neugeborene Kind als „Unschuldig“ an. Und was die Liebe angeht, so sehe ich zu Lieben als eine Haltung und nicht als eine Tätigkeit an. Es ist die Art, wie Menschen einander begegnen können und wie Menschen der Welt und dem Leben gegenüber sein können und nicht als eine Tätigkeit, die ich häufiger tue, wenn ich dafür „belohnt“ werde.Bezüglich des heutigen Tages hatte ich etwas Bedenken. Der größte Teil der Strecke verlief entlang der Strasse, vor der nächsten Unterkunft sollte es kaum Möglichkeiten der Pause geben, dazu war Regen angesagt. Wir sieben Pilger haben uns direkt gemeinsam in der nächsten Herberge angemeldet. Letztlich wurde es ein sehr schöner Tag. Er begann mit einem Anstieg und von oben sah die Landschaft mit dem Nebel, der in den Bäumen und in den Tälern lag, wieder wie verzaubert aus. Ich ging immer wieder ein Stück mit einem Holländer. Da er schneller war, lief er öfter voran und wenn er anhielt, trafen wir wieder einander. Der Regen war nur kurz und schwach und immer wieder blickte die Sonne auf uns herab. Nur das Ende wurde anstrengend, da auf einer Strecke von 9 Kilometern ein Anstieg über mehr als 400 Meter zu bewältigen war. Da dies auf einer relativ unbefahrenen Strasse war, ging es vergleichsweise gut und als ich in der Herberge ankam, wußte ich, was ich getan habe. Wenn ich so weitergehe bin ich in sechs Tagen in Rom. Ich kann mir das kaum vorstellen.

9.10.13 - 38,7 Kilometer - S.Lorenzo Nuovo am Lago di Bolsena

Gestern Abend wurde es noch richtig voll in der Unterkunft. Wir waren letztlich 13 Pilger. So viele Menschen, so dicht beieinander war für mich fast zu viel.Ich bin dann auch etwas sprachverwirrt, da ich mich auf unterschiedlichen Sprachen unterhalte und dann noch Übersetzungsarbeit leiste. Manchmal kommen dann die Momente, in denen ich garnichts mehr verstehe. Nur deutsche Drei-Wort-Sätze kommen dann noch bei mir an. Ich hoffe nur, daß ich in dem Zustand nichts selber zu viel Blödsinn erzähleEin interessanter Diskussionspunkt war wieder das Thema der Vergebung. Da denke ich, daß es wichtig ist, klein anzufangen, sich im Vergeben sozusagen zu üben. Den Mitmenschen die Fehler und kleinen Vergehen zu vergeben, ehe man an die großen Themen geht. Vergebung ist der Weg zum inneren und äußeren Frieden.Es gibt den Spruch, der besagt, daß alles zu verstehen, alles zu vergeben bedeutet. Und das ist aus meiner Sicht richtig so. Ich habe es bislang so erlebt, daß ich die Handlungen der Menschen in dem Moment, in denen ich ihre Beweggründe erfahren habe, verstanden habe. Und ich habe darin nichts Bösartiges oder vorsaätzlich schädigendes gesehen. Natürlich heißt dies nicht, daß ich meine, allen solle alles erlaubt wein zu tun. Ich will nicht auf eine Straffreiheit hinaus, oder darauf, daß eine Buße nicht erforderlich sei, sondern daß es darum geht den Menschen von der eigenen Seite aus zu vergeben. Ein weiterer Punkt ist dabei auch sich selber zu vergeben. Und dies sehe ich gleichfalls als einen schwierigen Prozess an. Sich selber die Fehler und die Taten zu vergeben, die selber als Falsch erkannt wurden. (Auch hier heißt Vergebung nicht, „Egal, ich machs beim nächsten Mal wieder so“, sondern die Befreiung vom Schuldgefühl und damit der Freiheit neu weitermachen zu können. Und manchmal ist für die Selbstvergebung eine Buße erforderlich, ich glaube, das dies den Prozess vereinfacht.Heute war ein wunderbarer Tag. Ich bin auf 800 Metern gestartet. Im Tal lag der Nebel wie ein großer See. Der Himmel war erst noch verhangen, nur langsam suchte sich die Sonne einzelne Stellen, wo sie die Wolkendecke durchdrang. Der Weg verlief stetig bergab, ein gut zu gehender fester Kiesweg. Es hatte fast etwas vom Fliegen mit den Wolken über mir und den Wolken unter mir. Später tauchte ich in den Nebel ein und alles wurde wieder verhüllt. So ging es gut 10 Kilometer, dann löste die Sonne langsam alle Nebel und Wolkenschichten auf, ich erreichte die erste Bar und machte eine kurze Pause ehe es die Strasse entlang weiterging. Ab und zu wurde der Weg etwas abseits der Strasse geführt, dann kam er wieder darauf zurück, das war natürlich nicht nur achön, aber der Verkehr hielt sich in Grenzen und ich kam sehr gut voran. Mein Ziel war es zu einem Campingplatz am Lago die Bolsena zu kommen. Endlich mal wieder im Zelt schlafen. Und nach fast 40 Kilometer habe ich tatsächlich mein Ziel erreicht. Ich sitze am See, bade meine Füße im Wasser und betrachte den Schein der untergehenden Sonne. Das Wasser ist richtig warm. Dieser See ist eigentlich ein Vulkankrater, der Sand ist schwarz und sehr weich.Mit Blick auf die Welt ist Wilhelms Spruch: „Es ist alles gegeben“ Und genau so fühlt es sich an, all diese Wunder zu sehen. 

10.10.13 - 26,9 Kilometer - Montefiascone

Nachdem ich mit dem Plätschern der Wellen des Sees (das Zelt habe ich nur 2 Meter vom Wasser entfernt aufgestellt) friedlich eingeschlafen bin, schlief ich tief am Rande des Vulkans. Am Morgen wurde ich vom Regen wach, der auf das Zelt prasselte. Dieser wurde wieder vom Plätschern der Wellen abgelöst, ich packte mein nasses Zelt ein und machte mich auf den Weg. Erstmal konnte ich keinen Weg finden, der den See entlanglief, so ging ich die Strasse entlang und hielt immer Ausschau nach einem Weg zum See. Den ich letztlich auch fand. Ich zog die Schuhe aus und wanderte so einige Kilometer auf dem weichen schwarzen Sand, beschienen von der Morgensonne, bis es keine Möglichkeit mehr gab, den Weg fortzusetzen. So kehrte ich zur Strasse zurück. Dann setzte auch der Regen ein. Und der Regen hielt sich, es gab im Laufe des Tages immer wieder kurze Phasen in denen ich den Regenponcho ausziehen konnte, aber die meiste Zeit fiel Regen, Regen, Regen. Mein Plan, an diesem Ende des Sees wieder zum See zurückzukehren und dort auf einen Campingplatz zu gehen, verwarf ich, da ich nicht bedacht hatte, daß Montefiascone auf fast 600 Metern Höhe liegt und ich von hier erst wieder hätte 300 Meter runtermarschieren müssen (die ich Morgen hätte wieder raufgehen müssen), zum Weiteren konnte ich nicht herausfinden, ob die Campingplätze überhaupt auf sind. Die Dame in der Touristeninformation des vorangegangenen Ortes hatte schon gesagt, am See hätte kein Campingplatz mehr offen (was nicht stimmte), und hier war die Information schon geschlossen als ich ankam. Ich überlegte noch, ob ich weitergehen sollte, ich konnte aber auf der Via Francigena keine Übernachtungsmöglichkeit in absehbarer Entfernung herausfinden. So machte ich mich dann hier auf die Suche nach einem Schlafplatz. Die Pilgerherbergen waren geschlossen, so mußte ich auf ein Hotel ausweichen. In den nächsten Tagen wird es noch schwieriger, da es zwischendurch wieder sehr lange Etappen ohne Übernachtungsmöglichkeit gibt. Ich bin mir noch unsicher, wie ich das für mich löse.Auf der SR2 sind es keine 100 Kilometer mehr bis Rom. Das Ende meiner Wanderung rückt unaufhaltsam näher. 

11.10.13 - 30,5 Kilometer - St.Martino al Cimino

Die Tage und die Strecke schmelzen dahin. Heute begann es wie erwartet mit etwas Regen, der dann auch bald aufhörte. Der Weg verlief auf der alten Via Cassia. Die Steine liegen dort jetzt seit mehr als 2000 Jahren. Diese Strasse ist wirklich für die Ewigkeit gebaut. Es war schon ergreifend, mir auszumalen, wie viele Menschen in den verschiedenen Zeiten über diese Steine geschritten sind. Angefangen mit den römischen Soldaten über die Händler und Pilger der verschiedenen Zeiten. Wieviele Geschichten mit diesen Steinen verbunden sind: Unendlich viele.Die Sonne kam nicht ganz so heraus wie angekündigt, so konnte ich gut vorankommen. In Viterbo, einer weiteren Stadt mit großem historischen Kern, machte ich eine Pause und visierte mein nächstes Ziel an. Dabei kam ich auf einen Abzweig, der so in meiner Karte nicht verzeichnet war. Da der beschriebene Weg der Strasse folgte, zog ich es vor, die Markierungen als Route zu wählen. Nach einem langen Anstieg, vorbei an hohen Mauern hinter denen sich Villen verbargen, kam ich auf einen kleinen Weg, der in den Wald führte. Der Weg war gut gekennzeichnet und offensichtlich schon lange nicht mehr von einem Pilger genutzt worden. Er wurde sehr eng, zugewachsen, ich kam an von Wildschweinen durchwühlten Stellen vorbei und überall lagen große Mengen an Maronen auf dem Boden. Als ich irgendwann wieder auf eine Strasse kam, stand diese voller Autos und ich erfuhr, daß dieses alles Pilzsammler sind, die hier überall im Wald unterwegs sind. Nun gesehen hatte ich von ihnen keinen im Wald. Mein kleiner Abzweig hatte letztlich dazu geführt, daß sich mein Weg damit deutlich verlängert hatte und so habe ich in St.Martino ein Quatier gesucht. Ich fragte auf der Strasse einen älteren Mann, ob es hier eine günstige Unterkunft gab. Und er wies heiter auf ein Schild „Bed&Breakfast“ drei Häuser weiter. Es war ein kleiner unscheinbarer Eingang. Ein älterer Mann öffnete und ich befand mich in einem herrschaftlichen Treppenhaus. Das Innere erschien alles sehr groß, was ich von der Straße aus so nie erwartet hätte.

Noch drei Tage und ich komme in Rom an.

Nun, ich kann mir kaum vorstellen, daß diese Wanderung ein Ende hat und ich in den Alltag in Bielefeld zurückkehre. Und es macht sich ein gewisser Verschleiß breit. Ich hätte mich bald neu einkleiden müssen, da sich einige Anziehsachen nicht mehr in dem besten Zustand befinden. Trotz meines Einsatzes näherischen Könnens gibt es doch das ein oder andere, was ich gar nicht mehr mit nach Hause nehmen muß.Auch mein neues Paar Wanderschuhe ist an einigen Stellen nur noch mit sehr wenig bis keinem Profil ausgestattet. Von daher läuft auch bei den Schuhen die Uhr ab. Die Gummifüße meiner Wanderstöcke sind ein spezielles Thema: Ich habe zwei durchgelaufen, vier verloren und einen gefunden. So habe ich nur noch einen, was mir von Alexander den Spitznamen Kapitän Ahab eingebracht hat, da es dadurch beim Gehen ein regelmäßiges „Klack“-Geräusch gibt. Leider habe ich noch keine neuen erwerben können. Heute bin ich mal an einem Geschäft vorbeigekommen, das Gummifüße gehabt hätte, aber ich hätte 2 Stunden bis zur Öffnung warten müßen. Das war es mir nicht wert. Was ich von all meinen Sachen bislang nicht gebraucht habe, ist die Thermowäsche und die Handschuhe, die mir Ute auf meinen Wunsch hin mitgebracht hat. Es ist doch nach wie vor warm genug und jetzt gehr es sogar auf wieder 500 Metern Höhe gut. Morgens ist es zwar ziemlich frisch, aber mit der Standardausrüstung ist mir warm genug. Und beim Laufen wird es sowieso immer schnell warm. Mal sehen, wie es morgen wird, da werde ich nochmal auf über 900 Höhenmeter steigen.Was ich auch bis jetzt nicht gebraucht habe, sind die Ersatzbatterien für die Stirnlampe. Sehr oft habe ich sie nicht benutzt, aber beim Zelten war sie doch manchmal im Einsatz.Ich fange schon an, Zusammenfassungen anzustellen. Dabei bin ich noch nicht angekommen. Heute war erst der 72.Tag.

12.10.13 - 43,8 Kilometer - Kurz vor Campagnano di Roma

13.10.13 - 38 Kilometer - La Giustiniana

Ich bin gut auf dem Campingplatz in La Giustiniana kurz vor Rom angekommen. Morgen wird es nur noch ein Spaziergang zum Petersplatz.

Aber erstmal zu Gestern. Gestern war ein sehr abenteuerlicher Tag. Der so endete, daß ich auch nichts mehr schreiben konnte.Es begann mit einem Aufstieg im Dauerregen, man kann es auch Kübeln nennen. Ich entschied mich dann, nicht die ganz hohe Strecke zu nehmen, da ich zwar mit über 900 Metern nochmal eine große Höhe erreichen würde, es war aber nicht mit einer guten Aussicht zu rechnen. So wählte ich den Weg an der Strasse, an einem See entlang. Was letztlich auch sehr schön war. So wanderte ich mit meinem Regencape verhüllt nach Schildkrötenart vor mich hin, Ab und zu stand ein Auto am Strassenrand, sicherlich wieder Pilzsammler, der Verkehr war gut erträglich und ich gewann Kilometer um Kilometer. Dann sah ich zwei Menschen auf ein Auto zugehen, und da ich schon lange mal ein Bild von mir im Schildkrötenlook haben wollte, steuerte ich auf sie zu und bat darum, daß sie ein Foto von mir machen. Dass der Mann eine olivgrüne Hose trug fand ich normal, da hier viele Männer in ausgedienten Uniformen (häufig von der Bundeswehr mit Deutschlandflagge) durch die Gegend liefen. Nachdem der Mann ein Foto von mir gemacht hatte, öffnete er seine Jacke und darunter kam eine Uniformjacke mit lauter Abzeichen und eine Waffe zum Vorschein. Er sagte dann etwas von Dokumenti, was ich nicht erstand, als ich dann meinen Ausweis zeigen wollte, winke er ab und sagte „später“. Nun, ich ging also weiter und erwartete, daß irgendwann eine Streife auftauchen und mich kontrollieren würde. Ich bin dann noch einigen militärisch und offiziell aussehenden Menschen und Fahrzeugen begegnet, aber es hat sich keiner mehr für mich interessiert. Ich setzte meinen Weg fort, der Regen hörte auf (Ich war auch nass genug. Auch meine Schuhe haben ihren WIderstand gegen den Regen aufgegeben.) Die Sonne kam heraus, ich ging den See entlang, der auch wieder vulkanischen Ursprungs war, und kam zu meinem Zwischenziel Sutri. Wieder eine Stadt mit einem schönen historischen Stadtkern, an einer Schlucht gebaut mit grandiosem Blick in die Tiefe des Tales. Dann nahm ich Kontakt mit der Unterkunft in Monterosi auf, wo ich eigentlich nächtigen wollte, erfuhr aber, daß sie ausgebucht seien. Da der Reiseführer bislang nie so genau gewesen war, was Unterkünfte anging, verzagte ich trotzdem nicht, sondern steuerte wohlgemut den Ort an, dabei passierte ich einen endlos großen Golfplatz. Was mich in meinem Optimismus stärkte, daß es wohl noch weitere Unterkünfte in der Stadt gäbe. Dem war leider nicht so. Mein GPS verriet mir aber, daß in 7 Kilometer Entfernung ein Hotel sei. Ich sah dies als locker zu schaffen an und ging weiter. Dann war bloß die Wegführung gegenüber meiner Karte deutlich verändert und nach 4 Kilometern war ich dem Hotel noch nicht wirklich näher gekommen. So fing ich an, Ausschau nach einer Möglichkeit zum Zelten Ausschau zu halten. Die es zwar auch gab, es waren nur viele Jäger unterwegs und ständig hörte ich Schüsse. So war mein Sicherheitsgefühl nicht gerade gut. Ich erhöhte meine Geschwindigkeit um möglichst doch noch das Hotel zu erreichen. Es wurde zunehmend dunkler und mir wurde klar, daß ich keine Chance hätte. Auf der Strasse weiter zu laufen wurde gefährlich. so nahm ich die erste Gelegenheit in der Dunkelheit war, um mein Zelt nahe der Strasse aufzubauen. Es war eigentlich eine relativ kleine Strasse ohne Mittelstreifen, aber der Verkehr war doch relativ dicht - bis tief in die Nacht hinein. So wagte ich auch nicht, im Zelt Licht anzumachen, was dazu führte, daß ich schnell mit der Dunkelheit, dem Geräusch der vorbeifahrenden Autos und meinen Gedanken alleine war.Am nächsten Morgen wachte ich sehr zeitig auf, packte meine Sachen und machte mich im Morgennebel auf den Weg. Es war schon en erster Verkehr, aber nicht so sehr stark. Ein Stück führte mich wieder entlang der Via Cassia, die hier das Ausmass einer Schnellstrasse hatte. Ich konnte sie schnell wieder verlassen. Unglaublich viel Polizei war unterwegs, alle mit Baulicht, als mich ein Polizist anrief, dachte, daß es wegen meines Laufens an der Schnellstrasse war, aber wünschte mir nur eine guten Weg. den hatte ich auch im Weitern. Schwierig wurde es nur einmal, als mich ein Hund adoptieren wollte. Ich versuchte ihn zu vertreiben, aber er blieb hartnäckig. Dann hielt ein Auto an, dem er beinahe davor gelaufen wäre. Die Frau sah sich sein Halsband an, fand nichs und war auch ratlos. Er lief dann aber dem Auto hinterher und vergaß mich - zum Glück. Nach einiger Zeit bekam ich das este Mal Rom zu sehen. Aus der Ferne, eigentlich sah es wenig spektakulär aus. Es betrübte mich nur, daß der Weg dann in eine ganz andere Richtung ging. Manchmal macht der Weg einen ziemlichen Zick-Zack-Kurs. Wenn ich auf das GPS sehen, bin ich dann oft gechockt, was das wieder für ein Umweg war. Die letzten 5 Kilometer verliefen wieder an der Via Cassia. Sie ist jetzt Einfallstrasse nach Rom. Morgen werde ich ihr noch 12 Kilometer folgen, dann bin ich am Petersdom. Morgen Mittag habe ich mein Ziel erreicht.Zu meinen ganzen Überlegungen zum Thema Versöhnung, Vergebung, Verstehen, Liebe, bleibt natürlich die Frage, was hat das alles mit Therapie zu tun. Nun, ich denke, eine ganze Menge. Meistens reden wir über therapeutische Techniken, über Denkmodelle, wie die Psyche des Menschen aufgebaut ist, wie wir „funktionieren“. Die Ansätze sind unterschiedlich und funktionieren mal mehr und mal weniger gut. Ich will hier nicht in die Details gehen, aber die unterschiedlichen Ansätze sind bei gezielten Einsatz wirklich gut erfolgreich. Und es gibt immer noch den anderen Teil: Die Therapeut - Klient - Beziehung und wie entscheidend diese für den therapeutischen Erfolg ist. Gut, auch das ist keine Neuheit. 

14.10.13 - 14 Kilometer - Rom

Da bin ich nun, erst auf der Via Cassia, dann auf der Via Triumphale, bei dichtem Berufsverkehr. Einen kleinen Abstecher machte ich, um einen Blick auf Rom von oben werfen zu können. Um 11Uhr habe ich den Petersplatz erreicht. überfüllt von Menschen, eine endlos erscheinende Schlange von Menschen, die den Petersdom besichtigen wollen und ähnlich viele, die das Museum besuchen wollen. So viele Menschen habe ich insgesamt in den letzten 3 Monaten nicht gesehen. Tapfer habe ich mich erst bis zum Pilgerzentrum durchgekämpft, wo ich eine Sonderkarte für die Papstaudienz abgeholt habe. Dann bekam ich dort den Tipp, wo ich direkt mein Testimonium, die Bestätigung über meine Pilgerwanderung erhalten würde. So ging ich durch die Kontrolle der schweizer Garde, mußte als einziges bei der Vatikanpolizei mein Taschenmesser abgeben, dann erhielt ich an der nächsten Station im Austausch gegen meinen Personalausweis einen Besucherpass. Dann wurde in einem päpstlichen Ufficium mein Pilgerausweis mit all den Stempeln genau betrachtet, kopiert, für gut befunden und ich erhielt meine Urkunde. Und dann ging alles genau so nur Rückwärts, erstmal wieder den Ausweis eintauschen, dann an der schweizer Garde vorbei und zuletzt habe ich mein Taschenmesser zurück erhalten. Es war ein kleiner Blick hinter die Vatikanischen Kulissen. Dann hat noch ein freundlicher Mensch ein Foto von mir vor dem Dom gemacht. Dann hatte ich erstmal genug von dem Trubel, bin zum Bahnhof gefahren, habe mien Rückfahrkarte erworben und habe mich auf den Weg zum Campingplatz gemacht, um schonmal das Zelt aufzubauen und meinen Rucksack ablegen zu können. Dafür hieß es erstmal U-Bahn und Bus fahren. Und ich habe mein Ziel gut erreicht. Nach einer Ruhepause bin ich nochmal nach Rom hineingefahren, habe einen kleinen Rundgang am Koloseum gemacht, um dann auch wieder schnell zu meinem Zelt zurück zu kehren. Massen von Menschen. Wo in den letzten Wochen doch die meisten Menschen Kontakt zu mir aufgenommen haben, gegrüßt haben, so blickt hier kaum einer hoch. Und wo da draussen alles und jeder großartig wirkte, so verschmilzen hier alle und das Individuum wird nicht mehr sichtbar. (Auf den ersten Blick). Beim U-Bahn fahren hatte ich reichlich Zeit Menschen zu beobachten und es sind natürlich alle genauso einmalig und unverwechselbar wie da draussen. Es wirken nur alle sehr in sich eingekapselt (oder an das Smartphone gekoppelt). Ich bin schon auch fasziniert zu sehen, daß diese riesige Stadt wie ein großer komplexer Organismus überhaupt funktioniert, mit all den Verkehrs- und Versorgungssystemen. Das ist wirklich unglaublich, was Menschen da geschaffen haben und am Leben erhalten. Ein riesiger Organismus, der nur läuft, weil die meisten genau das tuen, was sie tuen, ihre Aufgabe im System erfüllen. Wenn alle so eine Auszeit nehmen würden wie ich, hätte das riesige Konsequenzen, aber wer weiß, was daraus Neues entstehen würde.

Bielefeld - Rom in 75 Tagen 2375 Kilometer (ich werde nochmal nachrechnen, auch die Höhenmeter will ich mal zusammenrechnen, da ist, glaub ich, auch einiges zusammengekommen)

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